Olaf Schmidt
Vielfalt unter’m Blätterdach – LWF aktuell 129
Pestwurz-Fluren aus der ökologischer Perspektive
Pestwurzfluren an den Oberläufen unserer Bäche und Flüsse werden oft von Naturfreunden aus Artenschutzgründen gering geschätzt. Man sieht häufig diese eintönigen Pflanzenbestände aus nur einer dominanten Art, der Roten Pestwurz, als nicht besonders schutzwürdig an. Dies ist jedoch ein gravierender Trugschluss.
Abb. 1: Ausgedehnte Pestwurzbestände vermitteln auf den ersten Blick einen dunklen und wenig attraktiven Lebensraum. (Foto: Vojce)
Spektakulär sind aber ihre riesigen, rundlichen Blätter, die Durchmesser von bis zu 70 cm erreichen können und damit die größten Blätter unserer heimischen Flora (Abbildung 2) sind. Die Blütenstände erscheinen März/April und setzen sich aus bis 200 Blütenkörbchen in einer ovalen Traube zusammen. Der Blütenstand kann zur Fruchtzeit bis 100 cm Höhe erreichen. Die rötlich-weißen bis rötlich-violetten Blüten werden von Insektenbestäubt.
Die Pestwurz zählt zu den ersten Frühjahrsblühern. Der Name kommt aus historischen Zeiten, wo die Menschen die Pestwurz als Heilkraut gegen Geschwüre, so auch gegen die Pest, einsetzten. Auf den ersten Blick wirken Pestwurzfluren als natürliche Monokulturen sehr eintönig und aus Artenschutzgesichtspunkten wenig interessant. Erst bei genauer Betrachtung stellen sich vielfältige Beziehungen der Pestwurz zu Tierarten dar.
Pestwurzeule und weitere Schmetterlinge
Abb. 2: Die Pestwurz hat die größten Blätter unserer heimischen Flora. (Foto: Andreas Strandt)
Die Falter schlüpfen im Spätsommer und fliegen meist von Ende August bis Mitte September. Ihre unauffällige Lebensweise, aber auch der Rückgang natürlicher Pestwurzfluren durch wasserbauliche Verbauungen, haben dazu geführt, dass die Pestwurzeule selten beobachtet wird und in einigen Regionen als bedroht gilt.
Ebenfalls in Stängeln der Pestwurz frißt die Raupe der Kletteneule (Gortyna flavago), die sich aber auch in anderen Pflanzen wie Kletten, Braunwurz, Wasserdost und Kratzdisteln entwickeln kann.
Abb. 3: Jabokskrautbär: Falter (Foto: VBrockhaus)
Beide Färbungen werden als Warntrachten verstanden, denn durch das Befressen des giftigen Jakobskreuzkrautes nehmen die Raupen die Giftstoffe auf, lagern sie ein und werden so selbst für andere Tiere giftig. Man hat auch versucht, den Blutbär als biologische Bekämpfung gegen das sich ausbreitende Jakobskreuzkraut einzusetzen.
Als Besonderheit ist noch die Pestwurz-Federmotte (Buszkoiana capnodactylus) mit nur ganz wenigen Nachweisen in Bayern an Pestwurz zu erwähnen.
Pestwurz»käfer«
Abb. 4: Jabokskrautbär: Raupe; (Foto: VBrockhaus)
Seine Larven entwickeln sich in den Wurzelstöcken von Pestwurz, aber auch in denen des Bärenklau (Heracleum). Eine sehr ähnliche, etwas kleinere Art ist der Deutsche Trägrüssler oder Kleine Pestwurz-Rüssler Liparus germanus. Beide Arten können durch die Ausprägung des Halsschildes unterschieden werden. Außerdem sind bei L. germanus die Seitenbinden auf Flecken reduziert.
Hohe Luftfeuchte unter Pestwurzblättern – ideal für Schnecken
Abb. 5: Der Große Pestwurz-Rüssler ist einer unserer größten heimischen Rüsselkäferarten. (Foto: Michael Münch)
Der Körper der Schnecke ist schwarz. Die Gefleckte Schnirkelschnecke spielt als Konsument der Pestwurzblätter eine nicht zu unterschätzende Rolle. In seiner Diplomarbeit »Produktionsökologische Analyse eines Bestandes der Bach-Pestwurz Petasites hybridus (Asteraceae) in der Lunzer Seeau NÖ« schreibt Traxler (2008, Universität Wien), dass die Gefleckte Schnirkelschnecke eine der wichtigsten Pflanzenfresser an Pestwurz darstellt, die bis in den September circa elf Prozent der Gesamtblattfläche der Pestwurz verzehrte.
Abb. 6: Bernsteinschnecke mit Parasit Leucochloridium paradoxum. (Foto: aleoks)
Bernsteinschnecken werden als Zwischenwirt von unter anderem von dem Saugwurm Leucochloridium paradoxum parasitiert. Den Endwirt stellen Vögel dar. Um die Aufmerksamkeit der Vögel zu wecken, schwellen durch die sog. Fühlermaden des Saugwurms die Fühler der Schnecke stark an und beginnen zu pulsieren (Abbildung 6). Vögel fressen dann die Schnecken und im Körper des Vogels pflanzen sich die Parasiten geschlechtlich fort.
Versteckmöglichkeiten für Wasseramseln
Fazit
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Weiterführende Informationen
Autor
- Olaf Schmidt
- Er leitete bis zum 31. Juli 2020 die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft.