Olaf Schmidt
Artenreiche Braunwurz – LWF aktuell 124
Ungeahnte Vielfalt an einer unscheinbaren Pflanze
Gerade an Rändern von Forstwegen können sich – je nach Standort – verschiedene Pflanzen einstellen, die besonders für blütenbesuchende Insekten von großer Bedeutung sind. Eine dieser häufig wenig beachteten Pflanzen ist die Knotige Braunwurz. Obwohl sie meist nur horstweise oder in kleinen Gruppen am Wegrand auftritt, versteckt sich hinter dieser eher unauffälligen Pflanze mit ihren unscheinbaren Blüten ein ganzes Netzwerk verschiedener Arten.
Die Knotige Braunwurz (Scrophularia nodosa) (Abbildung 1) ist eine Art aus der Familie der Braunwurzgewächse (Scrophulariaceae), die zur Ordnung der Lippenblütlerartigen (Lamiales) gehört. Die Knotige Braunwurz ist bei uns häufig zu finden, ihr Stängel ist scharf vierkantig und nicht geflügelt. Die Pflanze erreicht eine Höhe bis zu 1 m.
Die kleinen nur 6–8 mm langen Blüten sind braunrot und am Grunde grünlich und für das menschliche Auge eher unscheinbar. Sie kommt in feuchten Wäldern und Gebüschen oder auch an Ufern vor. Häufiger an Bächen und Gräben ist die Geflügelte Braunwurz (Scrophularia umbrosa) zu finden.
Die Braunwurz – eine »Wespen«-Blume
Für unser menschliches Auge erscheinen die kleinen braun-roten Blüten der Braunwurz unscheinbar, aber für Wespen und Hummeln sind sie anziehend, da sie ultraviolettes Licht besonders stark zurückwerfen. Typische Wespenblumen sind in unserer heimischen Natur eher selten. Als Bestäuber der Braunwurz wirken fast ausschließlich Faltenwespen, die sich, durch die spezielle Blütenform der Braunwurz bedingt, an ihrer Bauchseite mit Blütenstaub einpudern.
Besonders darauf eingerichtet um Wespen anzulocken, sind Blüten mit frei zugänglichen Nektarien, so zum Beispiel Doldenblütler, Echte Sumpfwurz, Braunwurz, Zweiblatt, Thymian, Efeu und Faulbaum. Als sogenannte Wespenblumen werden sie regelmäßig, aber nicht ausschließlich, von Wespen besucht und bestäubt (Hintermeier 2002).
Beliebte Fraßpflanze
An den Blättern der Braunwurz fressen die Larven der Braunwurzblattwespe (Tenthredo scrophulariae). Die sehr deutlich schwarz und gelb gefärbten Tiere werden 11–15 mm lang. Ihre Zeichnung ist eine Mimikry von Echten Wespen, die diesen Blattwespen Schutz vor Fressfeinden verschafft. Die bis zu 30 mm langen Afterraupen der Braunwurzblattwespe sind in der Färbung den Schmetterlingsraupen des Braunwurz-Mönches sehr ähnlich.
Der Braunwurz-Mönch (Shargacucullia scrophulariae) ist ein Schmetterling aus der Familie der Eulenfalter. Seine Raupen entwickeln sich ebenfalls an der Braunwurz. Der nahe verwandte Königskerzen-Mönch (Shargacucullia verbasci) frisst hauptsächlich an Königskerzen, kann aber auch an Braunwurz auftreten.
Die Raupen des Braunwurz-Mönchs erreichen eine Länge von bis zu 50 mm und sind in der Grundfarbe gelb-weiß (Abbildung 4). Durch gelbe, schwarze und weiße Flecken sind die Raupen ansprechend gezeichnet. Der Braunwurz-Mönch ist in Europa weit verbreitet. Der Falter bildet eine Generation im Jahr aus. Die Schmetterlinge fliegen von Mitte Mai bis Mitte August, meist in der Dämmerung. Sie legen ihre Eier einzeln an den Blüten der Braunwurz ab. Daher können dann die Raupen von etwa Mitte Juni bis Mitte August an der Braunwurz angetroffen werden. Sie verpuppen sich im Herbst im Boden in einem Kokon.
An den Blättern der Braunwurz findet man häufig auffällige transparent erscheinende Stellen. Hier haben die Larven von Rüsselkäfern aus der Gattung Cionus das Blattgrün herausgefressen (sog. Schabefraß). Wegen dieser Art ihrer Ernährung wird diese Gattung auch Blattschaber genannt. Insgesamt kommen bei uns 39 Arten dieser Gattung Cionus vor.
Davon treten vier an der Braunwurz auf. Am häufigsten ist der Weißschildige Braunwurzschaber (Cionus scrophulariae) zu finden. Der rundliche Käfer wird nur circa 4–5 mm lang und ist durch schwarze, weiße und graue Muster am Körper sehr apart gezeichnet. Bei Gefahr legt er Rüssel und Beine an den Körper, läßt sich fallen und sieht wie ein kleiner Kotkrümel aus. Die Larven sind nacktschneckenartig von einem Schleimmantel umgeben und befressen die Blätter der Braunwurz in typischer Art und Weise. Die Verpuppung findet in Kokons, die kleinen rundlichen Kugeln ähneln und meist im Blütenstand sitzen, statt.
Die Käfer selbst erscheinen spät im Frühjahr, meist erst Anfang Juni. Nach der Paarung erfolgt die Eiablage der Weibchen an den sich entwickelnden Blütenknospen. Die Larven fressen zuerst im Innern der Knospe und später frei an den Blättern. Nach der Verpuppung schlüpft der Käfer meist Mitte Juli bis Mitte August.
Eine ähnliche Art, die ebenfalls auf Braunwurz zu finden ist, ist Cionus tuberculosus, der Dunkle Braunwurzschaber. Auch er bevorzugt frische bis feuchte Lebensräume. Auf Braunwurz und Königskerzenarten lebt der Garten-Blattschaber (Cionus hortulanus). Er ist häufig an Waldrändern auf Knotiger Braunwurz nachzuweisen. Der sogenannte Bunte Blattschaber (Cionus alauda) lebt oligophag auf verschiedenen Braunwurzarten, ebenfalls in feuchten Lebensräumen.
Alle diese Cionus-Arten auf Braunwurz sind weit verbreitet und regional häufige Arten (Rheinheimer & Hassler 2013). Ein monophag an Braunwurzarten vorkommender Blattkäfer ist der Baumwurz- Blattfloh (Longitarsus agilis).
Stark angeschwollene und geschlossene Blüten an der Braunwurz sind Gallbildungen der nicht seltenen Braunwurz- Gallmücke (Asphondylia scrophulariae).
Fazit
Allein das Beispiel der Knotigen Braunwurz und der mit ihr assoziierten und vergesellschafteten Tierarten zeigt, wie wichtig es ist, auch solche Kleinbiotope am Wegrand in Wäldern zu erhalten. Aus tierökologischer Sicht ist es sicherlich sinnvoll, solche Wegränder erst in größeren Zeitabständen zu mähen bzw. zu pflegen oder zumindest räumlich abschnittsweise vorzugehen.
Literatur
- Bellmann, H. (2003): Der neue Kosmos-Schmetterlingsführer. Franckh-Kosmos-Verlags-GmbH, 445 S.
- Hintermeier, H. (2002): Blütenpflanzen und ihre Gäste. Obst- und Gartenbauverlag München, 160 S.
- Rheinheimer, J.; Hassler, M. (2013): Die Rüsselkäfer Baden-Württembergs. Verlag Regionalkultur, 944 S.
- Schmidt, O. (1985): Wegränder im Wald als Kleinbiotope. AFZ Nr. 44, S. 119
Beitrag zum Ausdrucken
Weiterführende Informationen
Autor