Kathrin Weber
"Luftakrobat" am Abendhimmel - LWF-aktuell 114
Wie sein Name verrät, segelt der Große Abendsegler schon am frühen Abend in der Dämmerung auf der Jagd nach Insekten durch die Lüfte. Meist kurz nachdem Schwalben und Mauersegler abends vom Himmel verschwinden, tauchen die Abendsegler auf. Mit ihren rasanten Sturzflügen und ihren schnellen Jagden ist diese Fledermaus mit bloßem Auge leicht zu entdecken und ein lohnendes Studienobjekt eines jeden Naturliebhabers. Ein genauer Blick lohnt sich also!
Die in über 30 Ländern tätige, internationale Fledermaus-Schutzorganisation Bat- Life Europe hatte schon 2016 den Großen Abendsegler zur Fledermaus des Jahres gewählt. Mit ihren jährlichen Ernennungen will die Organisation den Schutz und die Erforschung bestimmter Fledermäuse sowie die Information der Bevölkerung über Fledermäuse in den Mittelpunkt rücken.
Die 30 Partnerorganisationen von BatLife Europe haben beschlossen, für das Jahr 2017 keine neue Art zu küren, sondern den Großen Abendsegler (Nyctalus noctula) als weit verbreitete und vergleichsweise einfach zu beobachtende Art auch 2017 in den Fokus ihrer Öffentlichkeitsarbeit und von Schutzbemühungen und -projekten zu stellen.
Jäger des freien Luftraums
Zoombild vorhanden
Abb. 1: Der Große Abendsegler
ist ein geschickter und schneller Jäger. (Foto: A. Grand)
In Bayern leben, meist unbemerkt von uns Menschen, 22 Fledermausarten. 14 davon sind in der Bayerischen Roten Liste der gefährdeten Tierarten mindestens als gefährdet eingestuft. Die meisten Fledermausarten sind an den Wald gebunden. So auch der Große Abendsegler, der mit einer Spannweite von knapp 40 cm unsere zweitgrößte Fledermausart ist.
Er jagt sehr weit und fängt seine Beute im schnellen Flug. Mit seinen langen schmalen Flügeln fliegt er sehr schnell (durchschnittlich 20–40 km/h) und kann bei seinen rasanten Sturzflügen Geschwindigkeiten bis zu 60 km/h erreichen. Die bevorzugten Jagdhabitate des Großen Abendseglers sind insektenreiche Landschaftsteile mit freiem Luftraum. Je nach Insektenvorkommen jagt er in einer Höhe von 10 bis 50 m über Wiesen, großen Wasserflächen, Flusslandschaften und Waldrändern oder in 300–500 m Höhe über den Baumkronen.
Besonders für Große Abendsegler auf ihren Wanderungen zwischen den Sommer- und Winterquartieren spielen Gewässer und vor allem Flussauen wegen ihres hohen Nahrungsangebotes eine bedeutende Rolle. Die Nahrung besteht aus großen Käfern, Wanzen, Schmetterlingen, Köcher- und Eintagsfliegen, bisweilen auch aus Maiund Mistkäfern, wenn diese in Massen auftreten. Im Herbst jagen Große Abendsegler durchaus auch am späten Nachmittag bei Sonnenschein, um sich die nötigen Fettreserven für den Winter anzufressen.
Baumbewohnende Fledermaus mit Tendenz zur Stadt
Zoombild vorhanden
Abb. 2: Das kurze braune Fell glänzt auf dem Rücken. (Foto: K. Weber, LWF)
Große Abendsegler waren ursprünglich typische Bewohner von Laubwäldern. Heute besiedeln sie ein breites Spektrum an Habitaten, das von Auwäldern, Buchen- oder Eichenwäldern bis hin zu Städten reicht. Wichtig sind hierbei ausreichend Baumbestände mit Baumhöhlen und ein großes Angebot an hoch fliegenden Insekten. In Bayern nutzen Große Abendsegler im Sommer- und Winterhalbjahr Baumhöhlen und Nistkästen sowie Spalten an Gebäuden als Versteckmöglichkeiten.
Die Sommerquartiere befinden sich vor allem in Spechthöhlen, aber auch in anderen Baumhöhlen. Immer häufiger ist der Große Abendsegler aber an Häusern anzutreffen, vor allem auch an Hochhäusern: Hinter Fassadenverkleidungen, Verblendungen unter Flachdächern und in Rollladenkästen findet er Ersatzquartiere. Große Abendsegler überwintern in dickwandigen Baumhöhlen wie beispielsweise Spechthöhlen in starken, alten Bäumen, aber auch an Gebäuden oder Brücken.
Das Raumangebot im Winterquartier muss ausreichend groß sein, da sonst die soziale Thermoregulation nicht funktioniert. In schmalen Spalten hingegen können die Tiere leichter erfrieren, weil sie sich gegenseitig nicht so gut wärmen können. Bei Frosteinbrüchen wechseln Fledermäuse schon mal das Quartier und fliegen auch bei Minusgraden, um ein anderes, frostfreies Quartier zu finden.
Geschlechtertrennung
Bei uns in Bayern findet man meist Männchen-Kolonien mit bis zu 20 Tieren. Nachweise von Wochenstuben, in denen die Weibchen ihre Jungen gebären und großziehen, sind in Bayern die Ausnahme, nur wenige Wochenstuben sind bekannt. Die meisten Nachweise der Art liegen in Städten vor. Dies liegt daran, dass Große Abendsegler im Frühling und im Herbst Unterschlupfmöglichkeiten an Gebäuden nutzen und durch ihre Rufe auffallen, die Menschen mit gutem Gehör häufig hören können.
Fernzieher
Zoombild vorhanden
Abb. 3: Eng aneinander gedrängt überwintern Große Abendsegler. (Foto: H.-J. Hirschfelder, AELF Landau)
Zwischen ihren Sommer- und Winterquartieren unternehmen die Großen Abendsegler weite Wanderungen und fliegen Strecken von bis zu 1.000 km quer durch halb Europa. Die Fortpflanzungsgebiete liegen nämlich überwiegend in Nordosteuropa und dem nördlichen Mitteleuropa, die Überwinterungs- und Paarungsgebiete hingegen in Südeuropa und dem südlichen Mitteleuropa.
Bayern liegt im Hauptverbreitungsgebiet, aufgrund der Wanderungen ist der Große Abendsegler jedoch nicht das ganze Jahr überall anzutreffen. Die weiblichen Abendsegler ziehen im Frühling in ihre nördlich gelegenen Wochenstuben-Gebiete. In Bayern halten sich im Sommer somit vorwiegend Männchen auf. Mitte August beginnt der Herbstzug in die südlicheren Überwinterungsgebiete. Vor allem Weibchen und Jungtiere treffen dann wieder in Bayern ein. Die Männchen besetzen in Baumhöhlen sogenannte Paarungsquartiere und locken mit ihrem Balzgesang paarungswillige Weibchen an.
Im Winter werden Große Abendsegler vor allem in Flussauen und Städten aufgefunden. Hier ist es klimatisch milder und es gibt mehr (Park)Bäume mit Höhlen sowie Hochhäuser, die sie als Quartiere nutzen. Zudem finden im Winterhalbjahr häufiger Parkpflegearbeiten und Baumfällungen statt. Die Anwesenheit von Abendseglern in Baumhöhlen wird nämlich oft erst bemerkt, wenn die sogenannten Winterschlafgemeinschaften durch die Fällung eines Höhlenbaumes zum Vorschein kommen.
Alle unsere heimischen Fledermausarten sind im Anhang IV der Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie gelistet. Nach §7 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) sind sie somit gesetzlich besonders sowie streng geschützt. Auch ihre Lebensstätten sind geschützt. Nach §44 Abs.1 Nr.3 BNatschG ist es verboten, Fortpflanzungs- und Ruhestätten bestimmter Arten – u.a. der Fledermausarten – aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. 14 Fledermausarten gelten nach der Roten Liste der gefährdeten Tierarten Bayerns als gefährdet, stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht.
Gefährdung
Zoombild vorhanden
Abb. 4: Die Männchen des Großen Abendseglers besetzen im Herbst Baumhöhlen (Foto: A. Zahn)
Obwohl er europaweit verbreitet ist, steht der Große Abendsegler auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten. Der Verlust von naturnahen Flussauen kann seine Nahrungsgrundlage einschränken. Die größere Gefährdung besteht aber durch Windkraftanlagen und im Rückgang von Quartieren in Bäumen und an Gebäuden. Durch sein Zugverhalten und durch die Nutzung des offenen Luftraums ist der Große Abendsegler durch die Kollision mit den Rotorblättern von Windkraftanlagen betroffen. Vor allem aber aufgrund der starken Luftdruckveränderungen im Einflussbereich der Rotoren sterben viele Abendsegler am sogenannten Barotrauma.
Als typische baumhöhlenbewohnende Art benötigt der Große Abendsegler ganzjährig ein ausreichendes Angebot an Höhlenbäumen. Durch Baumpflege- und Verkehrssicherungsmaßnahmen und den Verlust von Höhlenbäumen entlang von Flüssen, in Alleen, in städtischen Grünanlagen oder im Wald können Winterschlafgesellschaften und übersommernde Tiere gefährdet oder sogar direkt getötet werden.
Naturnahe Forstwirtschaft mit der konsequenten Erhaltung einer ausreichenden Anzahl an Höhlenbäumen und dem Aufbau eines Nachfolgerverbundes aus Biotopbaumanwärtern kann langfristig ein Netz aus geeigneten Quartieren schaffen. Auch im Siedlungsbereich kann die Erhaltung von Höhlenbäumen und das mit den zuständigen Behörden abgestimmte Markieren von Höhlenbäumen und bekannten Fledermaus-Quartierbäumen helfen: Die mit der Fällung beauftragten Personen oder Behörden können rechtzeitig vor Arbeitsbeginn Fledermausexperten hinzuziehen. So können zum Beispiel Pflege- oder Fällarbeiten während der Abwesenheit der Fledermäuse durchgeführt werden oder durch bestimmte Techniken Teile der Bäume als Stammtorso erhalten bleiben und dem Abendsegler und anderen Tieren weiterhin als Quartier dienen.
Vor allem im städtischen Bereich werden infolge von Fassadenrenovierungen und wegen der Wärmedämmung von Außenwänden die von Großen Abendseglern genutzten Spalten hinter Wandverkleidungen verschlossen. Moderne Bautechniken lassen solche Spalten und Fugen meist erst gar nicht mehr entstehen. Sind Sanierungen geplant, empfiehlt es sich, rechtzeitig vor Beginn der Arbeiten mit einem Fledermausexperten oder den zuständigen Naturschutzbehörden Kontakt aufzunehmen. So lassen sich in der Regel Sanierung und Belange des Artenschutzes am besten aufeinander abstimmen.
Zusammenfassung
Große Abendsegler waren ursprünglich typische Bewohner von Laubwäldern. Heute besiedeln sie ein breites Spektrum an Habitaten, das von Auwäldern, Buchen- oder Eichenwäldern bis hin zu Parkanlagen und Gebäuden in Städten reicht. Wichtig sind hierbei ausreichend Baumbestände mit Baumhöhlen und ein großes Angebot an hoch fliegenden Insekten.
Obwohl der Große Abendsegler europaweit verbreitet ist, gilt er in Bayern und Deutschland als gefährdet und steht auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten. Aufgrund der weiten Wanderungen durch Europa und der Nutzung des freien Luftraums ist diese Fledermausart besonders durch die Kollision an Windkraftanlagen betroffen. Auch der Rückgang von Quartieren in Bäumen und an Gebäuden macht unserer zweitgrößten Fledermaus zu schaffen.
Aus anderen Rubriken
Informationen über Fledermäuse sind beim Landesamt für Umwelt erhältlich sowie bei den beiden »Koordinationsstellen für Fledermausschutz «: für Nordbayern, Matthias Hammer und Burkard Pfeiffer, Erlangen, Tel. 09131-8528788 und für Südbayern, Dr. Andreas Zahn, Waldkraiburg, Tel. 08638-86117.
Die Koordinationsstellen unterstützen ehrenamtliche Fledermausschützer und beraten zum Beispiel »Quartierbesitzer«, wie Renovierungen »fledermausfreundlich« durchgeführt werden können. Besitzer von Fledermausquartieren werden gebeten, Vorkommen den Koordinationsstellen zu melden, um die Wissenslücken über diese faszinierenden Tiere zu schließen.
Mehr
Beitrag zum Ausdrucken
Weiterführende Links
Autorin