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Stefan Müller-Kroehling
Biodiversitätsfunktionen und -potenzial von Kurzumtriebsplantagen - LWF-Wissen 79

Der ökologische Wert eines Landnutzungstyps sollte auch daran gemessen werden, welchen speziellen Beitrag er zum Erhalt der regionalen Artenvielfalt leisten kann. Kurzumtriebsplantagen können für manche Arten wie einen Teil der Waldarten, speziell auch Arten lichter und junger Wälder und der Säume, sowie Feuchtwaldarten einen Lebensraum darstellen. Für einen Teil der Waldarten sind sie zudem als Ausbreitungskorridore geeignet und können daher eingesetzt werden, um isolierte Waldinseln »temporär« wieder zu vernetzen, und einer genetischen Erosion der Waldarten in diesen Inseln entgegenzuwirken.

Mit Gehölzen bestockte Ausschnitte der Landschaft erbringen vielfältige Dienstleistungen und Wohlfahrtswirkungen. Eine besonders wichtige davon ist neben der Holzproduktion ihr Beitrag zum Erhalt der heimischen Artenvielfalt oder Biodiversität. Kurzumtriebsplantagen als »Holzacker« ohne gesetzliche Waldeigenschaft, mit ultra-kurzer Niederwald-Rotation und meist mechanischer Ernte schneiden hier sicherlich am unteren Spektrum dessen ab, was ein Lebensraum zu leisten vermag, möchte man meinen. Zu Recht?

Vom Wert eines Waldes

Nachdem Deutschland seinen Holz- und Zellstoffbedarf sowie Energiebedarf nur teilweise selbst deckt, viele Importe von Holz und Holzprodukten nicht aus nachhaltiger und ressourcenschonender Nutzung stammen und Holz zu den umweltfreundlichsten Baustoffen und Energieträgern gehört, steht wohl außer Frage, dass Holzproduktion in Deutschland eine wichtige Aufgabe ist, auch wenn sicher nicht jeder Hektar Wald forstlich genutzt werden muss (worauf noch eingegangen wird).

Bereits Kafka und Brecht haben uns wichtige Hinweise zum Wert von Wäldern jenseits ihrer Holzproduktion gegeben, als Ort des Nachdenkens und als »Menschenfreude «. Doch an Wälder werden »multifunktionale« Anforderungen gestellt. »Alle wollen was« vom Wald, aber fast keiner will etwas dafür zahlen.
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Der Schutz der Biodiversität ist gesetzliches Ziel, im Naturschutzrecht, wie auch im Waldgesetz. Dieses Ziel leitet sich aus der Biodiversitätskonvention von Rio 1992 ab, die auch von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert wurde. Doch was genau ist Biodiversität?
Der Text der Konvention von Rio macht klar, dass es dabei vor allem auch um den weltweiten Erhalt der Arten gehen muss. Für uns geht es darum, dass alle heimischen Arten dauerhaft in ihrem Vorkommen gesichert werden. Arten, für die eine besondere Schutzverantwortung besteht, oder die gefährdet und selten sind, sollen also besonders berücksichtigt werden.

Vergleicht man die Rolle der vorkommenden Landnutzungstypen in einer Landschaft oder einer Region, dann ist die Frage legitim, welchen Anteil jede Nutzungsvariante konkret zum Erhalt der Artenvielfalt leistet. Da sind jene Nutzungstypen oder Flächenkategorien, wie Naturschutzgebiete, deren »Hauptaufgabe« der Naturschutz ist. Hier ist die Nutzung im Zweifelsfall an die Vorgaben des Naturschutzes anzupassen, diesen also unterzuordnen. In Totalreservaten ist sie sogar völlig zu unterlassen.

Andere Wälder müssen ihre sonstigen Funktionen und Wohlfahrtswirkungen, wie Erholungswert oder eben Naturschutzeigenschaften, selbst »erwirtschaften«. Gemeinhin wird angenommen, dass der Wert einer Fläche für den Naturschutz logischerweise umso höher ist, je weniger sie von einer Nutzfunktion »belastet« ist, und ihre maximale Steigerung in »Wildnis« oder im Totalreservat erfährt.

Sicher gibt es sehr gute Beispiele dafür, dass ungenutzte Areale besonders bedeutsam für den Artenschutz sein können. Zu unterscheiden wäre hierbei allerdings zwischen Gebieten mit Habitattradition für Altwaldarten – also sehr stabilen Zuständen, wie sie etwa alte Waldreservate darstellen, die seit über hundert Jahren als solche gesichert sind – und Flächen, die diese Voraussetzungen eben nicht erfüllen.

Wählt man stärker vom Menschen überprägte Waldtypen für eine Nullnutzung aus, kommt es häufig zu einer von zwei Entwicklungsgängen: bei Dominieren von Fichte im Aufgangsbestand zu einem mehr oder weniger raschen Bestandszusammenbruch, bei Beimischung von Buche zu einer Entmischung der Baumartenanteile und der vertikalen Bestandsstruktur.

Es ist ein »alter Hut«, dass »Katastrophen« wie der Zusammenbruch eines Waldbestands die Artenzahlen auf diesen Flächen kurzfristig sogar ansteigen lassen. Die »intermediate disturbance hypothesis« basiert auf dem Phänomen, dass auf solchen Flächen sowohl noch viele Arten der vorherigen Wälder und Forste als auch die ausbreitungsstarken Pionierarten der neuen Lebensräume, die aus den Ruinen der Alten entstehen, vorkommen (vgl. Müller-Kroehling 2013).
Dieses bekannte Phänomen der »Störungsökologie« ist jedoch kein Alleinstellungsmerkmal von »Wildnis«- oder Nationalparkflächen, sondern kann auch bei entsprechenden Störungen in Wirtschaftswäldern beobachtet werden, etwa bei großflächigen Sturmwürfen, aber auch bei Kahlschlägen.

Das macht Kahlschläge aber genau so wenig per se zu sinnvollen Nutzungsvarianten wie große Zusammenbruchsflächen hemerober Ausgangstypen in Totalreservaten ein »Erfolg« sind.
Der Beitrag einer Flächenvariante und eines Nutzungstyps zum Erhalt der regionalen Artenvielfalt wird ohnehin von ihren Artenzahlen nur höchst unvollkommen abgebildet, denn hinter einer großen Zahl von Arten in einem Lebensraum kann sich eine ebenso große Zahl ausbreitungsstarker und konkurrenzkräftiger »Generalisten« verbergen.
Ein besonders »einmaliger« Lebensraum in einem Landschaftsausschnitt kann hingegen ganz »artenarm«, aber relativ gesehen »superreich« an hochspezialisierten, nur dort vorkommenden Arten sein.

Ein Beispiel kann das illustrieren. Wenn in einer Region nur ein einziges Moor vorhanden ist, und dies würde nun entwässert, umgebrochen, gedüngt und mit einer intensiven Nutzung überzogen, so würden die Arten, die in dieser Region ausschließlich in diesem Moor vorkommen, weitestgehend oder vollständig verschwinden.
Gleichzeitig würde sich aber die Artenzahl des Moores vervielfachen, denn viele konkurrenzkräftige und ausbreitungsstarke Arten könnten nun das – mittlerweile veränderte – Moor als Lebensraum für sich erschließen. Eine Bilanzierung auf Basis der bloßen Artenzahl würde also zu völlig absurden Ergebnissen führen. Um den speziellen Beitrag einer Flächenkategorie quantifizieren zu können, ist also nicht an erster Stelle ihre Artenzahl entscheidend.

Besonders wichtig ist das Besondere

Entscheidend für den Biodiversitätswert jeder Landnutzungsform ist vielmehr ihr spezieller, ja ganz besonders ihr einzigartiger Beitrag zum regionalen Pool heimischer Arten, also gleichsam die Zahl ihrer Alleinstellungsarten gegenüber den anderen Nutzungsformen (Müller-Kroehling 2016). Kommt also eine Art nur in urwaldartigen Altbeständen vor, oder nur im aktiven Mittelwald, oder nur im extensiven Grünland und nicht auch in anderen Landschafts-Ausschnitten, dann ist dies eine solche »Alleinstellungsart« für jene Flächenvariante in der fraglichen Region. Das kann im heutigen Landschaftsmix durchaus auch ein normaler Nutzungstyp sein (z. B. Roig-Junent und Rouaux 2012).

Nicht jede bedrohte oder schützenswerte Art kommt vorzugsweise in Schutzgebieten vor oder wäre bevorzugt durch »Nullnutzung« zu schützen (Müller-Kroehling 2013; Müller-Kroehling 2016). Zumal bei einer deutlichen Zunahme ungenutzter Flächen die Frage zu beantworten wäre: woher kommt das, was wir für unseren Lebensstil an Energie und Ressourcen benötigen? Über die Auswirkungen der verschiedenen Nutzungsformen auf die – z. T. erheblich größere und endemischere – Artenvielfalt in den Subtropen und Tropen, von wo viele der Rohstoffe unserer Konsumgüter kommen, ist noch viel zu wenig bekannt (vgl. z. B. Meng et a. 2012). Nationale Sichtweisen ohne Berücksichtigung internationaler Stoffströme und Vergleichbarkeit von Standards greifen zu kurz (Biermayer 2013).
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Und nun zu den Kurzumtriebsplantagen (KUP)!
Es ist also gar nicht an erster Stelle interessant, ob KUP artenreich sind, also Heimat vieler Arten. Selbst wenn sie das im Vergleich zu anderen, vergleichbaren Nutzungstypen wie Äckern oder Forsten möglicherweise für viele Artengruppen sind. Denn Artenreichtum kann sich auch aus einer Vielzahl weit verbreiteter, störungsunempfindlicher Kulturfolger ergeben. Vielmehr lautet die Frage, welchen Beitrag sie zum Erhalt der Vorkommen von Arten in einer Region leisten.

Das können sie auf zweierlei Art und Weise:

• als eigentliches Habitat, also als Aufenthalts-, Nahrungs- und Fortpflanzungsstätte, oder
• als Ausbreitungskorridor, also als »Fortbewegungsmedium « in einer Landschaft, die für die Art sonst Ausbreitungsbarrieren hat.

Die weltweit am besten untersuchte Gruppe in KUP sind die artenreichen Laufkäfer (Dauber et al. 2010; Dimitriou et al. 2011). Es ist eine der formenreichsten Familien überhaupt, die in allen terrestrischen Lebensräumen vorkommt. Bereits in der ersten wissenschaftlich untersuchten KUP in Bayern (Makeschin et al. 1989) wurden sie berücksichtigt, und so macht es Sinn, auf diese Artengruppe als Beispiel zurückzugreifen (vgl. auch Müller-Kroehling et al. 2013; Müller-Kroehling 2015).

Zwei aktuelle Arbeiten am Wissenschaftszentrum Weihenstephan der TU München (Karrasch 2015; Hohmann 2016), beide federführend betreut von der LWF, liefern aktuelle Ergebnisse im Kontext des Lebensraums und der Beispiel-Artengruppe. Natürlich müssen die Ergebnisse nicht für alle Artengruppen ganz identisch sein, aber tendenziell gelten die Aussagen, die hier zur Lebensraum- Funktion getroffen werden, für viele andere, z. B. phytophage Artengruppen wohl auch.

Die Ausführungen zur Notwendigkeit einer Habitatvernetzung für ausbreitungsschwache Waldarten können zweifellos für alle Artengruppen Gültigkeit beanspruchen, für die diese Thematik einschlägig ist (vgl. z. B. Zacios et al. 2015).

KUP als Lebensraum

Diagramm aus drei sich schneidenden Kreisen. Dargestellt wird die Häufigkeit und Schnittmengen der, in Wald, Acker und Kurzumtriebsplantagen, gefundenen Arten.Zoombild vorhanden

Abb. 1: VENN-Diagramm der Arten (LWF)

Kurzumtriebsplantagen sind Lebensraum (Habitat) von Arten. Was für Arten sind das?

Eine zusammenfassende Auswertung aus sieben bayerischen Kurzumtriebsplantagen (Hohmann, 2016) und ihren Vergleichsflächen auf Äckern sowie in Wald und Forst (normaler Wirtschaftswald) sowie von weiteren vergleichsweise einbezogenen »normalen« Ackerstandorten (Daten freundlicherweise von der LfL zur Verfügung gestellt) zeigt Abbildung 1.

Insgesamt wurden 19 Flächen in Kurzumtriebsplantagen, 13 in normalen Wirtschaftswäldern und 25 auf Ackerflächen einbezogen.
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Es gibt eine Reihe von Waldarten (hier neun an der Zahl), die nicht in den untersuchten Kurzumtriebsplantagen auftraten. Immerhin knapp die Hälfte der auf Wälder spezialisierten Arten, die insgesamt nachgewiesen wurden, kommt aber auch in Kurzumtriebsplantagen vor. Diese sind also nicht für alle Waldarten bereits »richtiger Wald«, und das wäre auch eine Überraschung gewesen. Immerhin sind sie junge Lebensräume, nach Änderung der Nutzungsart, ohne Waldbodentradition, und mit anderer Humusform.

Ungefähr ebenso viele Arten wurden in diesem Vergleich ausschließlich auf den aus verschiedenen Teilen Bayerns einbezogenen Äckern gefunden. Dabei zeigt sich, dass es hierzulande durchaus Acker-Spezialisten gibt, die diese »Kultursteppe« bei uns als Lebensraum benötigen, wie etwa der Getreide-Laufkäfer (Zabrus tenebrioides). Viele dieser Arten sind vermutlich mit dem Beginn des Ackerbaus aus den Steppengebieten Osteuropas und Asiens nach Europa eingewandert. Ferner gibt es aber auch einige Arten (hier ebenfalls neun an der Zahl), die in unserem Vergleich nur in den Kurzumtriebsplantagen gefunden wurden. Es sind überwiegend Arten lichter Gehölzbiotope. Natürlich sind dies nicht per se »KUP-Spezialisten«, aber dennoch offenbar Arten, die in den »normalen Wirtschaftswäldern « nicht unbedingt auftreten, und auch nicht in der offenen Kulturlandschaft.

Einige der in Kurzumtriebsplantagen und Wäldern gefundenen Arten sind Feuchtwaldbewohner, die weder in normalen Wäldern mineralischer Standorte noch auf Äckern beheimatet sind, aber für die Kurzumtriebsplantagen offenbar einen »jungen Feuchtwald« darstellen. Gerade Kurzumtriebsplantagen auf feuchten Ackerstandorten ziehen offenbar einige ausgesprochene Feuchtgebietsbewohner der Umgebung regelrecht an und werden als Teil deren Lebensraumes genutzt. Zusätzlich können sie speziell auf solchen Standorten, vor allem solchen an Fließgewässern, auch einen Beitrag im Kontext der Erosionsthematik und der Wasserrahmenrichtlinie leisten und als Pufferflächen zwischen Schutzgebieten und Ackerstandorten dienen.

Unter den seltener nachgewiesenen Arten sind auch solche, die vor allem auf Brachen gefunden werden können, wie etwa Diachromus germanus. Zumindest in jenen Landschaften, in denen es fast keine Brachen oder bracheartigen Flächen wie extensive Raine, Ranken und Böschungen mehr gibt, stellen – vor allem junge – Kurzumtriebsplantagen für diese Komponente der Artenvielfalt wohl einen bedeutsamen Lebensraum dar.

Eine spezielle Lebensraumfunktion haben KUP also unter anderem für jene Arten, die junge Gehölzhabitate und zeitliche wie räumliche Übergangshabitate besiedeln, sowie auf feuchteren Standorten durchaus auch für einige Auwald-Arten. Solche Arten, die bevorzugt Waldränder, gebüschreiche Säume, Brachestadien mit beginnendem Gehölzaufwuchs und ähnliche Lebensräume besiedeln, sind also unter den »speziellen Liebhabern« von Kurzumtriebsplantagen.

In der extensiven, kleinteiligen, alten bäuerlichen Kulturlandschaft kamen diese Arten sicher verbreitet in den verschiedensten Lebensräumen vor. In sehr intensiv agrarisch geprägten Landschaften (vgl. z. B. Ringler 1987), wie wir sie heute, nach mehreren Durchgängen der Flurbereinigung und der »Energiewende« mit ihrem oftmals hohen Anteil von Biogas-Mais zunehmend finden, können Kurzumtriebsplantagen für einen Teil dieser Arten hingegen potenziell ein wichtiges Standbein sein.

Kurzumtriebsplantagen als Korridore

Lückige KurzumtriebsplantageZoombild vorhanden

Abb.2: Auch kleinflächige Lücken mit Fehlstellen können hochspezialiserte Arten anziehen. (Foto: G.Hohmann)

Intensiv agrarisch genutzte Landschaften sind aber oft auch für die dort in den Wäldern noch vorkommenden Waldarten eine große Herausforderung. Diese Wälder liegen aus der Perspektive reiner Waldarten im wahrsten Sinne des Wortes wie Inseln in der Landschaft. Manche der Waldarten können fliegen, viele aber auch nicht. Und von diesen sind nur einige in der Lage, auch ungeeignete Lebensräume wie »Offenland« zu durchwandern.

Kurzumtriebsplantagen, vor allem solche in der »Waldphase« nach dem Bestandsschluss der Bäume, können für einen Teil dieser Arten Ausbreitungskorridore bieten (vgl. z. B. Zacios et al. 2015). Für Hecken und Windschutzpflanzungen wurde diese Funktion bereits erkannt (Sustek 1994; Charrier et al. 1997) und gilt für Kurzumtriebsplantagen wohl in zumindest ähnlichem Umfang.

Diese unterliegen anders als Hecken oder Aufforstungen im Prinzip geringeren planerischen Restriktionen und erlauben vor allem auch eine leichtere »Rückkehr« zur Ackernutzung. Sie sind für den Landwirt also keine »Entscheidung auf Dauer«. Deswegen könnten Kurzumtriebsplantagen planerisch auch leichter eingesetzt werden, um völlig isolierte Waldinseln in der Feldflur zumindest temporär wieder an Waldgebiete anzuschließen.

Damit ließe sich zumindest für die Dauer ihres Bestehens einen Gen-Austausch für die Waldarten ermöglichen und so eine schleichende genetische Erosion bei den Waldarten verhindern, die letztlich eine Vorstufe zu einem allmählichen Aussterben der strengen Waldarten in den isolierten Waldgebieten ist.

Doch selbst für eher auf extensives Offenland spezialisierte Arten können regional Ausbreitungshemmnisse bestehen, die den Erhalt der genetischen Vielfalt hemmen (Sander et al. 2006). Auch für diese Arten können Kurzumtriebsplantagen einen wichtigen Korridor dar- stellen, wenn andere Lebensräume, die diese Funktion erfüllen könnten (Grünland, speziell extensives Grünland oder Brachen) nicht mehr in ausreichendem Umfang Teil des Landnutzungs-Mixes sind.

Wandermöglichkeiten werden in der am intensivsten von Verkehrswegen zerschnittenen Landschaft der Welt, wie wir sie in Deutschland haben, gerade in Zeiten des Klimawandels essenziell dafür sein, dass die Artenvielfalt die Möglichkeit bekommt, ihre Lebensräume in geeigneten Klimabereichen auch zu nutzen (Müller-Kroehling und Jantsch 2015). Unter den Arten, die Kurzumtriebsplantagen als Wanderkorridor nutzen können, sind auch Arten, für die wir weltweit eine hohe Schutzverantwortung haben, wie Abax parallelus.

Vorraussetzungen

Es muss festgehalten werden, dass beide Funktionen nicht per se in jedem Fall gegeben sind, sondern auch von Bedingungen abhängen (Tabelle 1). Kurzumtriebsplantagen sind nur dann ein Lebensraum von Arten extensiver Waldränder und Säume, wenn sie auch solche beinhalten, in der Startphase, sowie an den KUP-Rändern.
Und sie können nur als Wanderkorridor für Waldarten fungieren, wenn sie auch an Wälder angrenzen, die es zu vernetzen gilt.
   
   
   
Tabelle 1: Landschaftsökologische Probleme intensiver Landnutzung und möglicher Beitrag von Kurzumtriebsplantagen
Problem Möglicher Beitrag von KUP Vorraussetzung
Fehlen von Flächen mit spontaner Pionier- bzw. Annuellen-Vegetation (mit oder ohne Gehölzen) Initialphasen und Randflächen von KUP;
Ausfallstellen;
eingeschränkt auch Entwicklung auf den frisch genutzten Hiebsflächen
keine Herbizidbehandlung;
keine steilen Bestandesränder, mit Nutzungsgrenzen bis zum Rand;
Belassen von Fehlstellen
Verinselung vorhandener Waldflächen Möglichkeit temporärer Wiedervernetzung und damit des nötigen Genaustausches Anschluss an Wald;
hinreichend lange Entwicklungszeit eines humosen Waldbodens
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Unsere aktuelle Metastudie (Hohmann 2016) ergab, dass die Zahl strenger Waldarten sowohl mit dem Entwicklungsalter (also der Entwicklungszeit seit der Anlage der KUP), als auch mit dem Nutzungsalter (also dem Alter seit der letzten Ernte) korreliert ist.
Das Entwicklungsalter hat einen besonderen deutlichen Einfluss auf das Vorkommen dieser reinen Waldarten, was für eine gerichtete Entwicklung spricht. (Hierzu vgl. auch die Ergebnisse von Burmeister et al. und Blick, beide in diesem Heft).

Es muss klar hervorgehoben werden, dass Kurzumtriebsplantagen nicht auf Standorten angelegt werden sollten, die schon vorher einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten, wie etwa auf naturnahen feuchten Lebensräumen oder Magerstandorten, oder anstelle sehr artenreicher Extensivnutzungen.

Gegenüber konventioneller landwirtschaftlicher Nutzung, auch intensivem Grünland, stellen sie normaler Weise dagegen keine Verschlechterung dar. Ganz im Gegenteil können sie zu einer Bereicherung der Landschaftsausstattung an Lebensräumen und ihrer Funktionalität für das Vorkommen heimischer Arten beitragen.
Das gilt auch für das Landschaftsbild, in dem Kurzumtriebsplantagen sogar optische Störquellen kaschieren, oder sehr große Ackerschläge untergliedern helfen können.

Was nichts kostet, ist nichts wert?

Ohne Finanzierung durch die erzeugten Produkte oder aber gesellschaftliche Inwertsetzung ist in der Regel eine Nutzungsart auf Dauer nicht denkbar (Benninger 1994).

Viele früher verbreitete Lebensräume, die heute als schützenswert gelten und staatlich gefördert werden, waren ursprünglich an erster Stelle Produktionsflächen für Biomasse oder Rohstoffe, so auch die Nieder- und Mittelwälder, die Eichen-Schälwälder oder die streugenutzten Forste.

Kurzumtriebsplantagen sind und bleiben an erster Stelle eben das, Produktionsflächen. Das ist ihr Antrieb, das ist die Art und Weise, wie sie entstehen und sich finanzieren. Werden Kurzumtriebsplantagen ohne Vorbehalte (die auf Basis dieses vermeintlichen »Makels« teilweise zu bestehen scheinen) betrachtet, ist zu erkennen, dass sie regional einen Beitrag zum Erhalt der dortigen Artenvielfalt leisten können.

Kurzumtriebsplantagen sollten daher auch aus Sicht des Naturschutzes nicht per se abgelehnt werden, sondern in den entsprechenden Regionen und Landschaften als »Chance« verstanden und genutzt werden, funktionell einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt beizusteuern.

Unsere Konsumgesellschaft stellt hohe Ansprüche. Die Ansprüche der Arten müssen dabei aber auch berücksichtigt werden, wenn wir das Gesetzesziel ernst nehmen wollen, die Artenvielfalt zu erhalten. Dieses Ziel ist untrennbar mit dem Schutz unserer eigenen Lebensgrundlagen verknüpft (Müller-Kroehling 2013).

Im einfachsten Fall sind Arten mit bestimmten, sich selbst tragenden Nutzungstypen vereinbar, das heißt, sie finden dort eine Lebensgrundlage. Das kann auch mal eine KUP sein, ein Gemüseacker, ein Kahlschlag im Nadelforst, je nach Art. Die Artenkomponente, für die das nicht der Fall ist, müssen wir identifizieren, und (nur) für sie brauchen wir spezielle Schutz- und Pflegeinstrumente. Pauschale Denkweisen im Sinne eines »Schutzgebiet hui, Nutzung pfui« werden hingegen der Situation nicht gerecht.

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