Dr. Lothar Zimmermann und Dr. Stephan Raspe
Unwetterküche-Zutaten: Hitze und Feuchte - LWF aktuell 131

Niederschlag – Temperatur – Bodenfeuchte

Bayernkarte mit mehreren Vielfachbalkendiagrammen für regionale Temperaturen.Zoombild vorhanden

Abb. 1: Absolute Abweichung der Lufttemperatur vom langjährigen Mittel 1961–1990 an den Waldklimastationen (Grafik: LWF)

Ganz im Gegensatz zur Trockenheit und Hitze in den vergangenen Sommern gab schon dieser äußerst warme Juni einen Vorgeschmack darauf, was passiert, wenn Hitze mit viel Wasserdampf in der Atmosphäre einhergeht. Dann kommt es lokal zu kräftigen, mitunter auch zu extrem heftigen Gewittern mit Starkregen, Hagel und Sturmböen, die zum Teil katastrophale Konsequenzen haben.

Eigentlich dominierte Hochdruck im ersten und letzten Monatsdrittel. Der Juli wurde aber auch immer wieder von durchziehenden Tiefs unterbrochen, die die notwendige Feuchte in die Atmosphäre brachten. Zur Monatsmitte sorgte eine Hitzewelle für hochsommerliche Temperaturen, so dass die Atmosphäre sich immer mehr mit Energie aufladen konnte.

Nach dem nassen, kühlen Vormonat hinkte die Vegetationsentwicklung zwei Wochen hinter dem mehrjährigen Mittel hinterher. Aber die warmen sommerlichen Juni-Temperaturen sorgten nun für einen regelrechten Entwicklungsschub. Aber es war nicht nur überdurchschnittlich warm, es bildeten sich auch Gewitter mit Starkregen und Hagel. Nach der Monatsmitte brachte eine Hitzewelle landesweit hochsommerliche Temperaturen > 30 °C und die Waldbrandgefahr stieg rasch an.

Nach Ende des zweiten Monatsdrittels kam es in der schwül-heißen Luft wieder zu Gewittern mit intensiven Niederschlägen und Hagel, so dass auch die Waldbrandgefahr wieder zurückging. An der DWD-Station Augsburg fielen 101 l/m² innerhalb von fünf Tagen (21.-25.6.). Im südlichen Lechfeld bildete sich eine Superzelle, die dann ostwärts zog (siehe Kasten). Vom 21.-24.6. fielen am Hohenpeißenberg 6,2 l/m².

Im letzten Monatsdrittel zeigte die Blüte der Sommerlinde den Beginn des Hochsommers (25.6.) an. Damit hatte sich die Verzögerung der Vegetationsentwicklung auf eine Woche verringert. Am 25.6. wurde bei Nittenau in der Oberpfalz ein Tornado beobachtet. Am 28. und 29.6. »knallte« es schon wieder: Eine von Westen heranziehende Gewitterfront mit Starkregen, Sturmböen, aber auch teilweise Golfball-großen Hagelkörnern führte örtlich zu katastrophalen Verhältnissen. In Mömlingen im Landkreis Miltenberg schossen Wassermassen durch einen Ortsteil und setzten ihn unter Wasser.

Aber nicht nur im Westen kam es zu heftigen Starkniederschlägen, auch in den Alpen und im Alpenvorland kam es, kombiniert mit großkörnigem Hagel (bis 4 cm Durchmesser) und Hagelansammlungen, zu teils enormen Schäden an Vegetation und Infrastruktur. Die Böden waren in weiten Teilen Bayerns gesättigt.

Der Juni 2021 war mit 18,6 °C bayernweit +3,7° wärmer als im langjährigen Mittel 1961–90. Damit schob er sich auf Platz 3 der wärmsten Junis seit 1881. Die Hitze sorgte für den entsprechenden Energie-Input in die Atmosphäre, die für die vielen Gewitter verantwortlich war. In Bayern fielen mit 127,7 l/m² 14 % mehr Niederschlag als im langjährigen Mittel 1961–90.

Unterdurchschnittlicher Niederschlag fiel im äußersten Südwesten, in den Allgäuer Alpen, an der WKS Sonthofen waren es –45 % zum langjährigen Mittel. Noch weniger Niederschlag gab es im Südosten, während der Norden überdurchschnittlich viel Niederschlag erhielt. Gleichzeitig schien die Sonne mit 74,5 Stunden überdurchschnittlich (+37 %), damit Platz 5 seit 1951 (DWD 2021).
Bayernkarte mit mehreren Vielfach-Balkendiagrammen für regionale Niederschläge.Zoombild vorhanden

Abb. 2: Prozentuale Abweichung des Niederschlags vom langjährigen Mittel 1961–1990 an den Waldklimastationen (Grafik: LWF)

Auch im Juli dominierten Tiefdruckgebiete. Sie brachten intensive, schauerartige Niederschläge, oft begleitet von Gewittern mit Hagel und Sturmböen, und sorgten schon im ersten Monatsdrittel regional für Überflutungen. In Erinnerung bleibt dieser Juli aber wegen der katastrophalen Jahrhundert-Hochwasser des Tiefs »Bernd« im Westen Deutschlands an Ahr, Erft und Rur: einer der folgenreichsten Naturkatastrophen in Deutschland seit der Sturmflut 1962.

Auslöser waren Starkregen, die meist großflächig niederprasselten. Am 14.7. nahm der Regen zwischen Kölner Bucht und Eifel eine derartig starke Intensität an, dass dieser als »Jahrhundert-Regen« in die meteorologischen Geschichtsbücher eingegangen ist. Über 100 l/m² fielen während des Unwetters innerhalb von 24 Stunden, und zwar flächig!

Mit der Verlagerung dieses Tiefs war später auch der Südostens Bayerns betroffen. In der ersten Monatshälfte ließen teils starke Niederschläge die Bodenfeuchte deutlich ansteigen, regional stieg der Wassergehalt in den Oberböden bis zur Sättigung. An der WKS Würzburg fielen beispielsweise am 9.7. 61,2 l/m². An der DWD-Station Hof wurden vom 8. bis 9.7. 97,2 l/m² gemessen (DWD 2021). Die Starkregenfälle führten am 8.7. in Teilen Mittelfrankens und Schwabens zu Überflutungen und Hochwasser.

Durch vorhergehende Niederschläge war das Rückhaltevermögen der Böden – auch im Wald – sehr gering. Gleichzeitig konnte es aber auch sehr warm werden. So meldete die DWD-Station Rosenheim am 6.7. einen Wert von 32,8 °C. Zur Monatsmitte brachte ein Hoch sieben trockene und warme Tage, so dass die Oberböden wieder allmählich trockener wurden. Im Chiemgau und im Berchtesgadener Land war dagegen am 17. und 18.7. »Land unter«: Tief »Bernd« sorgte hier für Hochwasser, verbunden mit Geröll- und Schlammmuren, die beispielsweise am Grünstein die unterhalb gelegene Bobbahn unter ich begruben. An der WKS Berchtesgaden wurden in diesen beiden Tagen 186 l/m² gemessen, die höchste stündliche Regenintensität wurde am 17.7. von 19:45 bis 20:45 mit 61,6 l/m² erreicht.

Die Wiederkehrintervalle für unterschiedliche Niederschlagsdauern (1 bis 48 h) bewegten sich an diesem Wochenende von 2 bis 25 Jahren, damit allerdings weit entfernt von den Wiederkehrintervallen der Niederschläge in den Katastrophengebieten in Rheinland- Pfalz und Nordrhein-Westfalen, die oft größer 100 Jahre waren (Junghaenel et al. 2021). Beim Abfluss wirkte sich dagegen die Morphologie der steilen, engen Achen-Flusstäler aus: An drei von vier ihrer Abflusspegel wurden Wiederkehrintervalle > 100 Jahre gemessen, wobei es sich um kurz anhaltende Abflussspitzen handelte (LfU 2021).

Am 28.7. sorgte dann eine Superzelle in den Landkreisen Mühldorf, Altötting, Traunstein und Rosenheim für einen heftigen Gewittersturm mit Starkregen, Hagel und Sturmböen (siehe Kasten). Der Juli 2021 war mit 17,6 °C und einer Abweichung von 1,0° bayernweit noch im oberen Drittel der wärmeren Julis seit 1881. In Bayern fielen mit 149,0 l/m² +47 % fast die Hälfte mehr als im langjährigen Mittel, damit war er der 20.nasseste seit 1881.

Neben den Alpen fiel besonders gebietsweise in Franken dabei deutlich mehr als im Landesmittel, in Oberfranken war es teilweise bis das Doppelte des langjährigen Niederschlags. Die DWD-Station Oberstdorf beobachtete mit 303,3 l/m² die höchste Monatssumme in Deutschland. Wegen der häufigen Niederschläge schien die Sonne mit 209,0 Stunden 5 % weniger als normal (DWD 2021). Auch die Pflückreife der ersten Äpfel als Beginn des phänologischen Spätsommers begann erst zu Monatsende.
Liniendiagramm mit mehreren bunten Linien. Die x-Achse stellt die Monate Juni bis August, die y-Achse den Füllstand in Prozent dar.Zoombild vorhanden

Abb. 3: Entwicklung der Bodenwasservorräte im gesamten durchwurzelten Bodenraum in Prozent zur nutzbaren Feldkapazität (Grafik: LWF)

Heuer präsentierte sich der August vollkommen anders als in den drei letzten Jahren: Statt trocken-heiß war es kühl und nass. Zahlreiche Tiefs waren dafür ursächlich. So regnete es häufig, in Gewittern kam es lokal zu Starkniederschlägen. In der ersten Monatshälfte floss auf der Vorderseite der Tiefdruckgebiete von Südwesten immer wieder schwülwarme Luft ein und das Thermometer kletterte gebietsweise über 30 °C. Die DWD-Station Regensburg meldete am 15.8. 33,2 °C als bundesweit höchsten Wert im August.

Schwere Gewitter mit Starkregen und teils großkörnigem Hagel richteten immer wieder teils erhebliche Schäden an. Ein Sturmtief sorgte dann für eine starke Abkühlung, wieder verbunden mit intensiven Niederschlägen. Am 16.8. lösten diese in der engen Höllental- klamm bei Garmisch-Partenkirchen eine Flutwelle aus, die zwei Wanderer mit sich riss (DWD 2021).

In der zweiten Monatshälfte sanken die Temperaturen deutlich. Die Fruchtreife des Schwarzen Holunders, der für den Beginn des phänologischen Frühherbstes steht, setzte bis zu zehn Tage später ein. In der letzten Woche wurden dann schon frühherbstliche Temperaturen erreicht. Mit 15,9 °C gab es seit langer Zeit einmal wieder einen Wert, wenn auch knapp, unter dem langjährigen Mittel von 1961–90 (–0,1°) (DWD 2021).

Im Vergleich zur aktuellen und wärmeren Vergleichsperiode 1991–2020 betrug die negative Abweichung allerdings -1,7°C! Zuletzt war es 2014 im August ähnlich kühl: 15,5 °C. Bayernweit fielen 162,1 l/m², somit ein Plus von 2 % zum Mittel von 1961–90. Damit war er eindeutig ein sehr feuchter August! Am östlichen Alpenrand fielen örtlich über 280 l/m² (DWD 2021). Mit 162,1 Sonnenscheinstunden schien die Sonne aufgrund der vielen Wolken ein Fünftel weniger als im langjährigen Mittel, d. h. vom Sonnenschein her der 7.ärmste seit 1951.
Tabelle 1: Mittlere Lufttemperatur und Niederschlagssumme an den Waldklimastationen sowie an der Wetterstation Taferlruck im Sommer 2021
WaldklimastationenHöhe ü.NN [m]JuniJuniJuliJuliAugustAugust
Temp.

[°C]
NS
[l/m²]
Temp.

[°C]
NS
[l/m²]
Temp.

[°C]
NS
[l/m²]
Altdorf (ALT)40618,710117,58715,6145
Altötting (AOE)41519,812118,418716,2198
Bad Brückenau (BBR)81216,712715,011813,2100
Berchtesgaden (BER)1.50015,412114,118712,2239
Dinkelsbühl (DIN)46817,88016,49215,092
Ebersberg (EBE)54016,312115,018714,4193
Ebrach (EBR)41017,811316,613714,8118
Flossenbürg (FLO)84017,09415,512913,3160
Freising (FRE)50818,916016,818115,5158
Goldkronach (GOL)80016,112114,718712,6131
Höglwald (HOE)54517,612116,118715,1144
Kreuth (KRE)1.100
15,5
10014,227312,6375
Mitterfels (MIT)1.02515,724414,013112,2170
Pfeffenhausen (PFE)49216,612115,118714,9128
Riedenburg (RIE)47517,913716,117515,4114
Rothenkirchen (ROK)67016,35314,815212,7139
Rothenbuch (ROT)47018,312216,87715,392
Sonthofen (SON)1.17015,512114,236612,6299
Taferlruck (TAF)77015,213914,912212,7158
Würzburg (WUE)33019,311518,315316,871

Sommer

Der Sommer 2021 war mit 17,4 °C zwar immer noch unter den 20 wärmsten Sommern, aber durch seine vielen und intensiven Niederschläge (416 l/m², +32 % zum Mittel 1961-90) auch gleichzeitig der 8.nasseste Sommer seit 1881. So war trotz der Klimawandel-bedingt höheren Lufttemperaturen immer auch genügend Niederschlagswasser vorhanden, um die Bäume gut mit Wasser zu versorgen. Die Messungen der Bodenfeuchte an der WKS zeigten, dass sich die Füllstände der Bodenwasserspeicher meist zwischen über 100 und 80 % der nutzbaren Feldkapazität (nFK) befanden (Abbildung 2).

Trockenstress kam bei keiner Bodenfeuchtemessung vor. Dagegen kann bei den beobachteten Überschreitungen der nFK teilweise auch von einer Grundwasserspende im Sommer in diesem Jahr ausgegangen werden. Vom Sonnenschein war 2021 mit 645,7 Sonnenscheinstunden (+4 %) noch etwas über dem langjährigen Durchschnitt (+4 %).
Große Gewitterfront über einer besiedelten Landschaft.

Ein besonderes Gericht aus der Unwetterküche: Rezept für die »Lechtalerin«
Im Sommer sorgte wieder ein besonderes Gewitterphänomen für viele Schäden, darunter auch viele Sturmwürfe im Wald: die Superzelle. Zuletzt berichteten wir in der LWF aktuell-Ausgabe 123 über Entstehung und Wirkung dieser besonders gefährlichen Form einer großräumigen und hochreichenden Gewitterzelle.

Abb.4: Superzelle (»Lechtalerin«) aufgenommen mit Webcam vom Meteorologischen Observatorium Hohenpeißenberg am 21. Juni 2021, 20:20 Uhr (MESZ)
(Quelle: DWD Deutscher Wetterdienst)


Am 21. Juni waren wieder einmal alle »Zutaten« gegeben: In der unteren Atmosphäre befand sich warme und feuchte Luft, sozusagen der Treibstoff für den Motor der rotierenden Superzelle. Zudem kam der Wind in Bodennähe aus nordöstlicher Richtung, drehte bis in eine Höhe von etwa fünf Kilometern um nahezu 180° auf Südwest und nahm dabei deutlich zu, so dass es zu einer großräumigen Drehung der aufsteigenden schwülen Luft kam (sog. Windscherung). Dadurch wurde die aufsteigende Warmluft vom Bereich herabsinkender kalter Luft getrennt.

Im Alpenvorland wird dieses »Gewittermonster« nach seiner Entstehungsregion im südlichen Lechtal als »Lechtalerin« bezeichnet. Sie zieht meist in einer leichten Rechtskurve über den Starnberger See südlich an München vorbei und anschließend weiter ostwärts ins südliche Niederbayern. Starkniederschläge, heftige Auf- und Abwinde sowie intensiver Hagelschlag finden sich auf ihrer Zugbahn.

Doch es war in diesem Sommer nicht das letzte Mal, dass Superzellen an den Alpen entlang durch Südbayern zogen. Am 28. Juli entstand eine Superzelle nördlich von Rosenheim. Sie zog rasch ostwärts und richtete teils schwere Schäden im Chiemgau an. Orkanböen deckten Dächer ab und entwurzelten Bäume, durch heftigen Starkregen liefen Keller voll und örtlich gab es Ansammlungen von Hagelmassen. Die Zelle zog über Oberösterreich, wo sie sich nochmals verstärkte, weiter nach Wien und erreichte am Abend die Slowakei. Erst in der folgenden Nacht löste sie sich östlich der Hohen Tatra auf. In 13 Stunden legte sie eine Strecke von über 700 km zurück und gehört somit zu den langlebigsten Superzellen der vergangenen Jahre.

Heuer traten Superzellen am Alpenrand ungewöhnlich häufig auf. Ursache dafür war eine besondere Wetterlage, bei der Tiefdruckgebiete immer wieder nach Westeuropa zogen. Mitteleuropa lag dabei am Rand dieser Tiefdruckgebiete, welche die betroffenen Regionen mit sehr warmer und besonders feuchter Mittelmeerluft versorgten. Gleichzeitig stellten diese Tiefs die benötigte Windscherung mit der Höhe bereit. Der Alpenrand ist für die Entstehung von Superzellen besonders anfällig.

So faszinierend solche Superzellen aus der Ferne für den Betrachter sind, so gefährlich ist der Aufenthalt unter ihnen. Es besteht die Gefahr, dass kurzzeitig durch die Starkniederschläge bei geeigneter Topografie Sturzfluten auftreten, Sturmböen Gegenstände durch die Luft schleudern und Bäume entwurzeln sowie faustgroße Hagelkörner entstehen. Also auf jeden Fall einen überdachten, sicheren Ort aufsuchen.

Lothar Zimmermann

Quellen:

Literatur

Beitrag zum Ausdrucken

Weiterführende Informationen

Autoren