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Hans-Joachim Klemmt, Alexandra Wauer, Lothar Zimmermann, Hans-Peter Dietrich und Stephan Raspe Zu nass, zu trocken, zu windig – LWF aktuell 117
Dass sich das Klima auf der Erde in den letzten Jahrzehnten rasch geändert hat bzw. sich in Zukunft weiterhin ändern wird, ist mittlerweile eine weitgehend anerkannte Tatsache. Die Beschreibung der Klimaänderung erfolgt dabei meist auf Basis von Mittelwertbetrachtungen für verschiedenste meteorologische Parameter. Aber sind diese Mittelwerte die entscheidenden Größen? Bestimmen nicht vielmehr Klima- und Witterungsextreme über Sein- und Nichtsein, Vitalität oder gar Mortalität von Waldbäumen und Waldbeständen?
Die Beobachtungsdaten der letzten Jahrzehnte belegen weltweit eindeutig eine Erwärmung des Klimas. Die Hauptursache sind die in der Spätphase des 20. Jahrhunderts deutlich gestiegenen Konzentrationen an Treibhausgasen. Klimaforscher erwarten für die Zukunft eine weitere Verstärkung der Klimaänderungen, wobei deren Struktur regional und jahreszeitlich sehr variabel ausfällt (UBA 2013).
Abb. 1: Dauerhaft angebrachte Umfangmessbänder ermöglichen die Beobachtung des Zuwachsverhaltens. (Foto: Archiv, LWF)
Extremereignisse sind Bestandteil der natürlichen Klimavariabilität. Hierzu zählen zum Beispiel Starkniederschläge und langanhaltende Niederschlagsperioden bzw. damit verbundene Hochwasser, Hitze- und Trockenperioden, besonders heiße und kalte Tage oder auch Stürme (Schönwiese 2007). Aufgrund der unterschiedlichen gesellschaftlichen Relevanz der Auswirkungen erfahren die aufgezählten Extremereignisse eine unterschiedliche Beachtung.
Stürme und Hochwasserereignisse stellen meist relativ kurzzeitig auftretende Witterungsextreme dar, die allerdings häufig mit unmittelbaren Sach- und Personenschäden verbunden sind und entsprechend zeitnah monetär eingewertet werden können. Manion (1981) ordnet derartige Extremereignisse im Zusammenhang mit der Vitalität oder gar Mortalität von Bäumen in die Gruppe schnell wirkender, »antreibender« (inciting) Ereignisse ein. Ein hierzu aktuelles, forstlich für Bayern relevantes Beispiel war das Sturm-Tief Kolle vom 18. August 2017, das erhebliche Schäden in den Wäldern insbesondere in den ostbayerischen Landkreisen Passau und Regen hinterlassen hat.
Neben diesen Phänomenen existiert eine zweite Gruppe von Wetterextremen. Hierzu zählen zum Beispiel langanhaltende Niederschlags- oder Trockenperioden bzw. Temperaturextreme im positiven sowie negativen Temperaturbereich. Ereignisse dieser Gruppe wirken eher langfristig und entfalten Auswirkungen auf Vitalität, Leistungsfähigkeit, Konkurrenzkraft und Mortalität unserer Waldbäume. Diese sind allerdings meist nicht unmittelbar sichtbar, daher erfahren derartige Ereignisse in der Regel ein geringeres mediales Echo.
Manion (1981) bezeichnet derartige Ereignisse als »anfällig machende« (predisposing) Ereignisse. Darüber hinaus scheidet Manion noch eine dritte Gruppe der mitwirkenden (contributing) Ereignisse bzw. Faktoren aus, die kurz- oder langfristig wirksam werden können. Hierzu zählt unter anderem massenhafter Borkenkäferbefall, der durch die vorausgehende Witterungsentwicklung gefördert wurde.
Abb. 2: Mittlere maximale Lufttemperatur und Spannweiten im Monat August an ausgewählten bayerischen Waldklimastationen. (Grafik: LWF)
Aus forstlicher Sicht ist es notwendig zu wissen, wie sich die verschiedenen Extremereignisse in einem sich erwärmenden Klima entwickeln und welche Konsequenzen sie für das Leben und Überleben unserer Waldbäume haben. Wetterextreme lassen sich mathematisch statistisch nachweisen: In Abbildung 2 sind die gemessenen Tagesmaximaltemperaturen der bayerischen Waldklimastationen Freising, Ebersberg, Würzburg, Riedenburg und Flossenbürg für die beiden Perioden 1961–1990 und 1991–2016 gegenübergestellt. Qualitativ wird der Anstieg zunächst an den Mittelwerten der maximalen Lufttemperatur zwischen den Zeiträumen 1961–90 und 1991–2016 beispielweise für den Sommermonat August sichtbar. Auffällig steigen die höchsten gemessenen Maximaltemperaturen in diesem Monat stärker an als die niedrigsten Maximaltemperaturen. Noch deutlicher wird diese Zunahme extremer Temperaturen an der Häufigkeit des Auftretens heißer Tage (Tmax ≥ 30 °C) im Sommer (Abbildung 3). Zwischen den Perioden 1961–90 und 1991–2016 steigt an allen betrachteten Waldklimastationen die Anzahl der heißen Tage auf 5 bis 6,6 Tage an.
Abb. 3: Mittlere Anzahl heißer Tage (Tmax ≥ 30 °C) im Sommer an ausgewählten bayerischen Waldklimastationen. (Grafik: LWF)
Ergänzend hierzu hat eine Analyse der Abweichungen aller Tagesmaximaltemperaturen vom langjährigen Mittel gezeigt, dass positive Temperaturabweichungen um mehr als +10 Grad auf allen Stationen in den letzten 25 Jahren erheblich öfter vorkommen als früher. Eine mathematisch- statistische Analyse der Überschreitungswahrscheinlichkeiten belegt, dass derartige Extremereignisse an den bayerischen Waldklimastationen von 1991 bis 2016 um 4 % bis 22 % wahrscheinlicher geworden sind als in der benannten Vorperiode.
Hingegen hat die Überschreitungswahrscheinlichkeit für das Auftreten extremer Kältewerte über alle Stationen gleichsinnig abgenommen. Diese Auswertungen bestätigen die von Schönwiese (2007) oder von Coumou und Rahmstorf (2014) aufgezeigte Zunahme von Klima- und Witterungsextremen bei gleichzeitiger Verschiebung der mittleren Temperaturen hin zu höheren Werten.
Folgen der Trockenjahre 2003 und 2015
Während der Klimaperiode 1991–2016 gelten die Jahre 2003 und 2015 als Jahre, in denen Temperaturextremwerte in Verbindung mit langanhaltenden Trockenperioden aufgetreten sind. Wie haben unsere Waldbäume und Waldbestände darauf reagiert? Hinweise liefern wiederum die Daten des langfristigen Umweltmonitorings in Bayern.
Abb. 4: Gegenüberstellung der Entwicklung des Brusthöhendurchmessers von Kiefern und der Wasserversorgung an der WKS Altdorf im Jahr 2015. (Grafik: LWF)
Wie stark die Wasserversorgung der Waldbäume und deren Wachstumsprozesse in extremen Trockenjahren unter Druck kommen, wird an sieben ausgewählten Waldklimastationen untersucht, an denen kontinuierlich die Bodenfeuchte in verschiedenen Tiefen gemessen sowie wöchentlich der Brusthöhendurchmesser an bis zu zehn Bäumen einer Baumart erhoben werden.
In den beiden Trockenjahren 2003 und 2015 wurden die von den Bäumen nutzbaren Bodenwasserspeicher im Sommer auf vielen Standorten fast vollständig entleert. Die Transpiration der Bäume war dadurch erheblich eingeschränkt (Raspe et al. 2004a) und die Bäume reagierten vielfach mit einem frühzeitigen Abwurf von Blättern oder Nadeln (Raspe et al. 2004b). In der Folge blieb die Durchmesserentwicklung im Jahr 2003 um bis zu 40 % hinter der des Vorjahrs zurück. Besonders betroffen waren damals Fichte, Kiefer und Buche, wobei bei der Buche die gleichzeitige Mast den Effekt sicher verstärkt hatte (Dietrich et al. 2004). Auch im Folgejahr war die Durchmesserentwicklung der Bäume weiter eingeschränkt (Raspe 2005).
Ein ganz ähnlicher Verlauf zeigte sich zum Beispiel bei Fichten, Kiefern und Eichen während der Trockenperioden 2015 (Raspe & Zimmermann 2016). Anders als 2003 blieben bei den Buchen in 2015 allerdings vergleichbare Wuchsstagnationen aus.
Diese Befunde decken sich gut mit den jährlichen wachstumskundlichen Erhebungen an größeren Baumkollektiven auf den Flächen im selben Jahr (Stiegler et al. 2016), die allerdings für die Kiefern keine Einbußen im Grundflächenzuwachs zeigten. Aus der Gegenüberstellung der Wasserversorgung an der Waldklimastation Altdorf im Nürnberger Reichswald mit der wöchentlichen Durchmesserentwicklung wird ersichtlich, dass praktisch keine Durchmesseränderung der Kiefern stattfand, solange die Wasserversorgung im Sommer eingeschränkt war (Abbildung 5). Erst nach Wiederauffüllung der Bodenwasserspeicher Mitte November nahm der Durchmesser der Kiefern nochmals deutlich zu, so dass am Jahresende nahezu keine Einbuße im Dickenwachstum festzustellen war.
Die Fichten und Eichen auf den anderen Waldklimastationen konnten sich zum Jahresende weniger gut erholen und zeigten daher zum Teil erhebliche Rückgänge im Grundflächenzuwachs. Insgesamt war der Einfluss der Trockenheit 2015 weniger gravierend als 2003, wohl auch, weil die Wasserversorgung der Bäume in der Vegetationsperiode 2003 bereits deutlich früher eingeschränkt war als im Jahr 2015. Die Wirkung von Extremereignissen auf den Wald ist daher immer auch eine Frage des Zeitpunktes ihres Auftretens.
Jahrringuntersuchungen belegen Sensitivität der Fichte
Abb. 5: Resistenz der Baumarten auf den unterschiedlichen WKS-Standorten in den Jahren 1947, 1976 und 2003; in Riedenburg ohne Fichte und Douglasie für 1947. (Grafik: LWF)
Um explizit die Wirkungen von extremer Trockenheit der Jahre 1947, 1976 und 2003 auf das Radialwachstum verschiedener Baumarten in Bayern zu untersuchen, hat die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) in Kooperation mit dem Thünen-Institut und dem Lehrstuhl für Ökophysiologie der TUM eine retrospektive, dendroökologische Untersuchung im Umgriff von elf bayerischen Waldklimastationen durchgeführt. Dabei wurde das Wachstum unterschiedlicher Baumarten an jeweils denselben Standorten entlang eines weiten Standortgradienten miteinander verglichen (Dietrich et al. 2015).
Die Jahrringanalysen an Bohrkernen von jeweils 20 herrschenden Bäumen einer Baumart offenbarten deutliche Unterschiede im Dickenwachstum der Baumarten, insbesondere an den klimatischen Rändern der Stichprobe. Im Artvergleich konnte nach dieser Untersuchung zum Radialzuwachsverhalten Folgendes festgehalten werden (Abbildung 5): Eichen wiesen die höchste Toleranz gegenüber Trockenheit auf. Ihre Resistenz ist hoch, ihr Radialzuwachsgang war auch in den benannten Extremjahren wenig beeinflusst. Das Trockenstressrisiko war i.d.R. gering (gute Tiefendurchwurzelung), die Transpiration selbst bei starker Trockenheit kaum eingeschränkt (anisohydrisches Verhalten).
Fichten erwiesen sich am wenigsten trockenresistent. Sie zeigten starke Abhängigkeit von Temperatur, Trockenheit und Wassermangel. Als Flachwurzler ist ihr Trockenstressrisiko höher. Fichten reagieren empfindlicher als alle anderen Arten auf zunehmende Stressdosis und schränken ihre Transpiration in diesen Phasen stark ein (isohydrische Reaktion). Der Radialzuwachs reduzierte sich in Extremjahren an trockenen Standorten um bis zu 60 % gegenüber den Vorjahren (Mittel der drei Extremjahre).
Buchen erwiesen sich gegenüber Fichten als toleranter, ihr Zuwachs reduzierte sich auf vergleichbaren Standorten um maximal 40 %. Sie ähnelten in ihrem Toleranzverhalten den Eichen und reagierten weniger empfindlich wie Fichten auf zunehmenden Trockenstress (mehr Bäume innerhalb einer Population mit hoher Resistenz, schwächere Resilienz als bei Fichte, aber raschere Erholung). Die Trockentoleranz von Tannen, Douglasien und Kiefern im Hinblick auf ihr Zuwachsverhalten war, wenngleich nur an wenigen Standorten untersucht, auch auf trockeneren Standorten vergleichsweise hoch. Sie werden deshalb – ungeachtet physiologischer Unterschiede – als trockentoleranter eingestuft als Buchen.
Insgesamt haben auf Standorten geringer bis mittlerer Bodenfeuchte (nutzbare Feldkapazität »nFK« unter 150 mm) und bei warm-trocknerem Klima vor allem die Fichten in Trockenjahren mit erheblichen Produktionseinbußen reagiert. Diese waren bei Buche weniger stark ausgeprägt. Produktionseinbußen waren auch in Folgejahren nach den »Jahrhundertsommern « feststellbar. Teilweise dauerte der Zeitraum der Erholung (bis 80 % der Bäume wieder Normalwachstum erreichen) zwischen drei und sechs Jahre. Als Schwelle für hohes Risiko wird ein verfügbarer Bodenwasservorrat von 40 % der nFK angesehen.
Mit größerer Nähe zu Trockengrenzen und dem aktuellen ökologischem Nischenrand einer Art dürften die Zuwachsverluste in Extremjahren die Vorteile günstiger Wuchsbedingungen durch Klimaerwärmung aufzehren, von denen derzeit besonders Eichen, Douglasien, Tannen und Bergmischwälder profitieren. Effekte starker Blüte und Mast überlagern teilweise jene der Trockenheit. Auf nicht wasserlimitierten Standorten ist ein Blüh-/ Masteffekt als wichtiger Stressfaktor für verminderte Resistenz in den untersuchten Trockenjahren zu werten.
Die positive Nachricht: Die herrschenden Bäume aller Baumarten erwiesen sich bislang als sehr resilient und vital genug, um sich von starken Zuwachseffekten und Zuwachsrückgängen zu erholen. Die Ergebnisse der Studie der LWF aus dem Jahr 2015 bestätigen und ergänzen andere Befunde zur Trockentoleranz der Baumarten in Bayern (vgl. Zang et al. 2011; Pretzsch et al. 2013; Uhl et al. 2013; Hartl-Meier 2015). Unbeachtet blieben Mischungseffekte oder die Mortalität von Beständen, die für die Anbaueignung von Baumarten im Klimawandel ebenfalls relevant sind.
Abb. 6: Abweichungen der Monatsmittelwerte für Temperatur und Niederschlag in den Jahren 2003/04 und 2015/16 vom langjährigen Mittel (Quelle: DWD 2017)
In Bayern wird seit 1983 jährlich und flächendeckend der Belaubungs- und Benadelungszustand unserer Waldbäume zur Einschätzung der Vitalität bzw. des Waldzustands durchgeführt. Nach den Trockensommern 2003 und 2015 zeigten die Ergebnisse der Waldzustandserhebungen (WZE) mehr oder weniger für alle Baumarten in den Folgejahren erhöhte Nadel- oder Blattverluste.
Die beiden betrachteten Jahre sowie jeweils deren Folgejahre unterschieden sich jedoch deutlich hinsichtlich des Witterungsverlaufs. Dies gilt besonders für den Temperaturverlauf und weniger für die Niederschläge, wie Abbildungen 5 und 6 zeigen. In Tabelle 1 sind die Differenzen beim Nadel-/Blattverlust zwischen 2003 auf 2004 mit denen von 2015 auf 2016 einander gegenübergestellt. Hieraus wird ersichtlich, dass die Unterschiede sowohl der Mittelwerte als auch des Anteils der Schadstufen 2 bis 4 zwischen 2003 und 2004 meist deutlich größer waren als zwischen 2015 und 2016. Dies gilt sowohl für alle Baumarten zusammen als auch für die Hauptbaumarten Fichte, Buche und Kiefer.
Das frühe Einsetzen der Trockenheit bereits zu Beginn der Vegetationsentwicklung im Jahr 2003 hatte offensichtlich größere Auswirkungen auf den Waldzustand als die erst im Juli beginnende Wasserknappheit im Jahr 2015. Abweichend davon zeigten Tannen und Eichen unterschiedliche Reaktionen nach den Trockenjahren. Die Tanne profitierte 2003 vor allem in montanen Höhenlagen von der Wärme, darauf deuten auch die Zuwachsmessungen hin (s.o.). 2015 wies diese Baumart jedoch mit 17,7 % Nadelverlust im bayernweiten Durchschnitt das niedrigste Niveau seit Beginn der Waldzustandserhebungen 1983 auf.
In den Alpen, in denen die Tanne einen hohen Anteil an der Baumartenzusammensetzung sowie eine große waldbauliche Bedeutung hat, wird ihre Entwicklung im Rahmen der jährlichen Waldzustandserhebung auch zukünftig intensiv verfolgt. Die unterschiedliche Reaktion der Eichen in den Trockenjahren 2003 und 2015 ist stark durch das unterschiedliche Auftreten blattfressender Insekten überlagert. 2004 waren nach Angabe im Waldzustandsbericht circa 40 % der Eichen nach Massenvermehrung von Eichenprozessionsspinner, Schwammspinner und Frostspanner von Fraß betroffen. Ein vergleichbares Phänomen trat nach dem Trockenjahr 2015 nicht auf.
Tabelle 1: Vergleich der WZE-Daten 2003/04 mit 2015/16. Zeichenerklärung: * Mittelwert: mittleres Nadel-/ Blattverlustprozent ** SST 2–4: Schadstufen mit 30 bis 100 % Blatt-/ Nadelverlust Positive Zahlen in der Spalte »Differenz« markieren Verschlechterungen, negative Zahlen Verbesserungen