Jörg Prietzel, Birgit Reger und Wolfgang Falk
Oberpfalz-Kiefern im »Langzeit-Monitoring« – LWF aktuell 128

Untersuchungen über fünf Jahrzehnte identifizieren systematische Ökosystemveränderungen

Auswirkungen von Naturkatastrophen und Insektenkalamitäten auf Waldökosysteme sind für jeden erkennbar. Anders verhält es sich mit »schleichenden« Prozessen wie zum Beispiel die Beeinflussung durch Luftschadstoffe oder der aktuelle Klimawandel.
Auch diese Prozesse führen auf lange Sicht zu starken Ökosystemveränderungen. Um diese nachzuweisen, sind langfristige Monitoring-Studien erforderlich. Wir stellen neue Ergebnisse aus zwei 50 Jahre lang untersuchten Kiefernbeständen in der Oberpfalz vor, die zeigen, wie stark sich diese Waldökosysteme in den letzten Jahren verändert haben.

Langzeitmonitoring degradierter Kiefernbestände

Kiefernwald mit markierter Kiefer im VordergrundZoombild vorhanden

Abb. 1: Der Kiefernaltbestand auf der Meliorationsversuchsfläche Pfaffenwinkel im Jahr 2014 (Foto: J. Prietzel)

Anfang der 1960er Jahre hat Prof. K. E. Rehfuess, langjähriger Leiter des Lehrstuhls für Bodenkunde an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Meliorationsversuche in mattwüchsigen Kiefernaltbeständen auf armen, durch historische Übernutzung stark degradierten Standorten in der Oberpfalz angelegt, unter anderem die Versuche Pfaffenwinkel bei Waldsassen (Abbildung 1) und Pustert bei Schwandorf (Rehfuess & Schmidt 1971).

Ziel war es, geeignete Verfahren zu entwickeln, um Standortsqualität und Wuchsleistung der Kiefernbestände zu verbessern. Alle Versuche beinhalteten neben den behandelten (z. B. gedüngten) Meliorationsflächen auch unbehandelte Kontrollflächen. Zur Erfassung der Melioriationseffekte wurde auf allen Versuchsvarianten einschließlich der Kontrollflächen seit Versuchsbeginn das Wachstum der Bestände messend verfolgt.

Außerdem wurden im Jahres- oder Zwei-Jahres-Takt Nadelproben auf wichtige Nährstoffe analysiert. Ab Anfang der 1970er bzw. 1980er Jahre wurde zusätzlich der Oberboden (Humusauflage und Mineralboden bis 30 cm Tiefe) aller Versuchsflächen in 5- bis 10-jährigen Intervallen beprobt, um die Auswirkungen der Melioration auf den Boden zu erfassen.

Bis zur Jahrtausendwende: mehr Versauerung und mehr Stickstoff

Die Untersuchungen von Wald und Boden auf den Versuchsflächen umfassen mittlerweile eine Zeitspanne von über 50 Jahren. Sie wurden somit zu idealen Prüforten zur Erfassung und Quantifizierung schleichender Ökosystemveränderungen. So konnte zum Beispiel für beide Bestände im Zeitraum zwischen 1974/82 und der Jahrtausendwende eine starke Oberbodenversauerung und Stickstoffeutrophierung nachgewiesen werden (Prietzel et al. 1997 und 2006).
Es stellt sich nun die Frage, wie sich die Situation im 21. Jahrhundert weiterentwickelt hat. Zur Klärung werteten wir erstmals Analysendaten für die ab dem Jahr 2000 geworbenen Nadelproben aus und führten in den Jahren 2014 und 2019 weitere Bodeninventuren durch.

Entsäuerung und Aufbasung des Oberbodens im neuen Jahrtausend

Grafik die den ph-Wert als rote und grüne Linie zeigt; grün deutlich höher als rotZoombild vorhanden

Abb. 2: pH-Wert (in Wasser gemessen) der Humusauflagen (Grafik: LWF)

Die Ergebnisse belegen eine Trendwende – weg von der Oberbodenversauerung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hin zu Entsäuerung und Aufbasung, d.h. eines Anstiegs der Basensättigung sowie der Oberbodenvorräte an austauschbarem Magnesium und Kalium in den ersten Dekaden des neuen Jahrtausends. Nach einem deutlichen Rückgang der pH-Werte im Oberboden bis in die 1990er Jahre war ab dem Jahrtausendwechsel eine gegenläufige Entwicklung zu beobachten.
Die Entwicklung der pH-Werte in den Humusauflagen ist in Abbildung 2 wiedergegeben. Abbildung 3 beschreibt das C/N-Verhältnis in der Humusauflage. Je mehr der Stickstoffanteil im Verhältnis zum Kohlenstoff zunimmt, desto kleiner (enger) wird das C/N-Verhältnis. Abbildung 3 zeigt, dass die starke Verengung des C/N-Verhältnisses in den Humusauflagen bis 2004, welche eine deutliche N-Eutrophierung der Böden durch hohe atmogene Stickstoffeinträge indiziert, sich nach der Jahrtausendwende trotz anhaltend hoher N-Immissionen nicht weiter fortgesetzt hat.

Oberbodenverbesserung spiegelt sich nicht im Ernährungszustand der Kiefern wider

Grafik die das C/n Verhältnis als rote und grüne Linie zeigt; grün deutlich unter rotZoombild vorhanden

Abb. 3: C/N-Verhältnis der Humusauflagen (Grafik: LWF)

Nach einer nadelanalytisch nachweisbaren systematischen Verschlechterung der Calcium-Versorgung der Kiefern an beiden Waldorten (Pustert: auch Magnesium und Kalium) in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Prietzel et al. 1997 und 2006) verbesserte sich die Versorgung der Bestände mit diesen Nährstoffen in den ersten Dekaden des neuen Jahrtausends trotz der beobachteten Wiederaufbasung des Oberbodens nur für Calcium.

Die Versorgung der Kiefern mit Kalium und Magnesium (Abbildung 4) verschlechterte sich dagegen weiter. Offenbar war entweder in den letzten Jahrzehnten (z. B. infolge von verschärftem Klimastress) die Nährstoffaufnahme grundsätzlich zunehmend beeinträchtigt, bzw. die Verbesserung der Magnesium-Ausstattung der Oberböden beider Waldorte (Abbildung 5) wurde durch eine verschlechterte Nährstoffaufnahme aus dem Unterboden überkompensiert.

Dies könnte unter anderem hervorgerufen worden sein durch eine verzögerte Versauerung und Entbasung des (in unserer Studie nicht erfassten) Unterbodens infolge einer verzögerten Wieder-Freisetzung von temporär gespeicherten Depositions-Schwefel, die mit Bodenversauerung und Basenverlusten noch lange nach der ursächlichen Belastung mit Luftschadstoffen einhergeht (Prietzel & Kölling 1999).

Kontinuierliche Verschlechterung der Phosphorversorgung

Grafik die den Magnesiumgehalt in den Nadeln zeigt; unteres Drittel orange mit aktuem Mangel, mittleres Dritter gelb mit latentem Mangel, darüber Normalversorgung; Grüne Linien geben Versorgung über die jahre an: meistens latenter Mangel bis akuter MangelZoombild vorhanden

Abb. 4: Magnesium-Konzentration in halbjährigen Kiefernnadeln (Grafik: LWF)

Die in den 1990er Jahren zu beobachtende Verschlechterung der Phosphor-Versorgung der Kiefern (Prietzel & Stetter 2010) setzte sich ungebremst fort (Abbildung 6). In Pfaffenwinkel zeigten die Kiefern am Ende des Untersuchungszeitraums erstmals latenten Phosphormangel, in Pustert sogar akuten Phosphormangel.

Die Oberbodenvorräte an pflanzenverfügbarem Phosphor (=zitronensäurelöslichem Phosphat) nahmen systematisch ab (Abbildung 7) und waren bei der letzten Inventur im Jahr 2019 relativ zu jenen bei der Inventur 1982/84 um 33% (Pustert) bzw. um 44% (Pfaffenwinkel) verringert. Unsere Ergebnisse bestätigen den engen Zusammenhang zwischen der P-Ernährung von Waldbeständen und den in der Humusauflage sowie den obersten 10 cm des Mineralbodens gebundenen Vorräten an zitronensäurelöslichem Orthophosphat (Prietzel & Stetter 2010) bzw. Gesamt-Phosphat (Fäth et al. 2019).

Empfehlungen für die Praxis

Vorrat an verfügbarem Magnesium im Boden als Balkendiagramm: orange im Mineralboden, gelb in HumusauflageZoombild vorhanden

Abb. 5: Austauschbares Magnesium im Oberboden (Grafik: LWF)

Unsere Studie zeigt, dass die in den 1980/90er Jahren eingeführten Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität (v. a. Rauchgasentschwefelung) zumindest an unseren Untersuchungsstandorten, vermutlich jedoch großflächig auch ohne Kalkungsmaßnahmen aufgrund natürlicher Resilienz der Waldökosysteme innerhalb von wenigen Dekaden zu einer nachweisbaren Oberbodenentsäuerung geführt haben.

Somit kann offenbar auf Waldkalkungen, die mit einer schlagartigen Veränderung des chemischen Oberbodenzustands und damit des Lebensraums von Bodenflora und -fauna verbunden sind sowie oft zu (Auflage)humusverlust führen, wohl öfters verzichtet werden als bislang angenommen.

Außerdem ist davon auszugehen, dass der Umbau von Nadelholzreinbeständen zu laubholzreichen Mischwäldern mit tiefwurzelnden Baumarten die Entsäuerung und Wiederaufbasung des Oberbodens im Vergleich zu den untersuchten Kiefernreinbeständen vor allem auf Standorten mit hohem Basenvorrat im Unterboden weiter beschleunigt (Cremer & Prietzel 2017).
Vorrat an verfügbarem Magnesium im Boden als Balkendiagramm: orange im Mineralboden, gelb in HumusauflageZoombild vorhanden

Abb. 6: Phosphor-Konzentration in halbjährigen Kiefernnadeln (Grafik: LWF)

Alarmierend ist die Verschlechterung der Phosphorernährung innerhalb der letzten 30 bis 40 Jahre. Phosphor entwickelte sich an unseren Untersuchungsstandorten und vermutlich auch in zahlreichen Waldbeständen Bayerns zu einem Schlüsselelement der Nährstoffversorgung (Puhlmann et al. 2020). Wichtige forstliche Maßnahmen zur Minimierung und bestmöglichen Vermeidung weiterer Phosphorverluste sind einerseits die Minimierung des mit Holzerntemaßnahmen verbundenen Phosphorentzugs (Fäth et al. 2019).

Dies bedeutet eine weitestmögliche Belassung von Baumkomponenten mit besonders hohem Phosphorgehalt (z. B. Rinde, Zweige, Äste, Nadeln) im Bestand. Des Weiteren kann der bereits erwähnte Umbau von Nadelholzreinbeständen zu Laubwäldern bzw. Mischwäldern den natürlichen Phosphorkreislauf im Waldökosystem intensivieren und somit die Phosphorversorgung verbessern.

Die Ergebnisse unserer Studie – eine umfassende Präsentation findet sich in Prietzel et al. (2020) – verdeutlichen den großen Wert forstökologischer Langzeitmonitoringflächen und -programme für die Identifikation und Quantifizierung langsam ablaufender Prozesse in Wäldern und erhöhen hoffentlich somit deren Akzeptanz in der Öffentlichkeit und bei Entscheidungsträgern. Langzeitmonitoring verringert das Übersehen bzw. die Fehleinschätzung schleichender, langfristig oftmals sehr nachteiliger Entwicklungen.

Zusammenfassung

Balkendiagramm das mit orange und gelb den Vorrat an Phosphat-Phosphor im Oberboden zeigtZoombild vorhanden

Abb. 7: Vorrat an mit Zitronensäure extrahierbarem Phosphat-Phosphor im Oberboden (Grafik: LWF)

Der Artikel beschreibt die Entwicklung des Oberbodenchemismus und der Nährstoffversorgung zweier Kiefernbestände in der Oberpfalz, die in den 1960er Jahren auf damals noch (historisch bedingt) degradierten Standorten als Meliorationsversuche eingerichtet wurden.

Aufgrund ihrer regelmäßigen Untersuchung über mehrere Jahrzehnte hinweg eignen sich die unbehandelten Kontrollparzellen solcher »alten« Versuchsflächen zur Beschreibung langsam verlaufender Ökosystemveränderungen. Beide Bestände weisen in den letzten Jahren eine Entsäuerung und Aufbasung der Standorte auf; allerdings hat sich die Phosphorversorgung der Kiefern stetig verschlechtert.

Eine Gegensteuerung dieser Entwicklung ist unbedingt erforderlich. Die Projektergebnisse verdeutlichen die Bedeutung langfristig angelegter Versuche, um schleichende Veränderungen in Waldökosystemen aufzudecken.

Literatur

  • Cremer, M.; Prietzel, J. (2017): Soil acidity and exchangeable base cation stocks under pure and mixed stands of European beech, Douglas fir and Norway spruce. Plant and Soil 415, S. 393–405
  • Fäth, J.; Weis, W.; Mellert, K.-H.; Kohlpaintner, M.; Manghabati, H.; Ettl, R.; Göttlein, A. (2019): Mit der Biomasse verschwindet auch der Phosphor. AFZ-Der Wald 3, S. 42–44
  • Göttlein, A. (2015): Grenzwertbereiche für die ernährungskundliche Einwertung der Hauptbaumarten Fichte, Kiefer, Eiche, Buche. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung, 186, S. 110–116
  • Prietzel, J.; Kölling, C. (1997): Ein einfaches Routineverfahren zur Beurteilung des Remobilisierungspotentials von Waldböden für Sulfat-Schwefel aus atmosphärischen Einträgen. Forstw. Cbl. 118, S. 329–344
  • Prietzel, J.; Kolb, E.; Rehfuess, K.E. (1997): Langzeituntersuchung ehemals streugenutzter Kiefernökosysteme in der Oberpfalz: Veränderungen von bodenchemischen Eigenschaften und der Nährelementversorgung der Bestände. Forstwiss. Cbl. 116, S. 269–290
  • Prietzel, J.; Stetter, U.; Klemmt, H.J.; Rehfuess, K.E. (2006): Recent carbon and nitrogen accumulation and acidification in soils of two Scots pine ecosystems in Southern Germany. Plant and Soil 289, S. 153–170
  • Prietzel, J.; Stetter, U. (2010): Long-term effects of atmospheric nitrogen deposition and fertilization on phosphorus nutrition in two German Scots pine (Pinus sylvestris) ecosystems. For. Ecol. and Manag. 259, S. 1141–1150
  • Prietzel, J.; Falk, W.; Reger, B.; Uhl, E.; Pretzsch, H.; Zimmermann, L. (2020): Half a century of Scots pine forest ecosystem monitoring reveals long-term effects of atmospheric deposition and climate change. Global Change Biology 26, S. 5796–5815
  • Puhlmann, H.; Sohrt, J.; Rinderer, M.; Prietzel, J.; Krüger J.; Lang, F. (2020): Wo der Phosphormangel droht. AFZ-Der Wald 3, S. 20–23
  • Rehfuess, K.-E.; Schmidt, A. (1971): Die Wirkung von Lupinenunterbau und Kalkammonsalpeterdüngung auf den Ernährungszustand und den Zuwachs älterer Kiefernbestände in der Oberpfalz. Forstwiss. Cbl. 90, S. 237–259

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