Christoph Hübner, Richard Heitz, Marvin Lüpke, Barbara Fussi, Eric Andreas Thurm und Enno Uhl
Die Edelkastanie – ist sie die Rettung? – LWF aktuell 123
Die Edelkastanie wird als eine »der« Baumarten im Klimawandel gehandelt. Ob dies zutrifft, wurde in einem umfangreichen Projekt untersucht.
Die Sommermonate 2015 und 2018 gaben einen eindrucksvollen Vorgeschmack auf die uns erwartenden klimatischen Veränderungen. Zahlreiche Baumarten litten stark unter der Trockenheit in Verbindung mit warmen bis heißen Temperaturen. Es ist davon auszugehen, dass viele Baumarten mit dem zukünftigen Klima nicht mehr zurecht kommen werden. So wird der Ruf nach alternativen Baumarten immer lauter, um auch in wärmeren Lagen stabile Mischwälder aufbauen zu können. Die Edelkastanie ist dabei schon seit einigen Jahren in aller Munde. Während der dreijährigen Projektlaufzeit wurden zahlreiche Aspekte zu Edelkastanie und ihrem Potenzial speziell in Bayern untersucht.
Bereits aus dem Titel »Untersuchungen zu Vorkommen, Genetik und Anbaueignung der Edelkastanie in Süddeutschland unter Berücksichtigung von waldbaulichen und waldschutzrelevanten Aspekten « ist der große Umfang des Projekts ableitbar. Das Projekt wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft über die Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe (FNR) gefördert und in Kooperation mit der IG Edelkastanie, dem Forstlichem Forschungs- und Kompetenzzentrum Gotha, der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft in Trippstadt, dem Forstamt Haardt, dem Landratsamt Ortenaukreis, dem Bayerischen Amt für Waldgenetik, dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forst Karlstadt sowie der TU München (Holzforschung, Waldwachstumskunde, Waldbau) durchgeführt.
Vorkommensanalyse
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Abb. 1: Verschiedene Blühstadien der Edelkastanie. (Foto: C. Hübner, LWF)
In einem ersten Schritt wurden die bayerischen Vorkommen über eine Befragung an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, den Bayerischen Staatsforsten und bedeutenden großen Kommunalwäldern abgefragt, um einen Überblick über die Verbreitung in Bayern zu erlangen. Dabei konnten über 200 Vorkommen erfasst werden, wovon 164 Vorkommen als Bestände beschrieben wurden. Bei den übrigen Meldungen handelte es sich vor allem um Einzelbäume, zum Teil in Gärten, Hofstellen, Feld und Flur.
Der Schwerpunkt liegt dabei erwartungsgemäß im Westen Bayerns, wobei auch wüchsigere Vorkommen in rauen Lagen des Steinwaldes über 600 m ü. NN sowie am Rand zum Bayerischen Wald gemeldet wurden. Um eine exaktere Erfassung der Bestandesfläche in der Region mit dem höchsten Edelkastanien- Vorkommen zu erlangen, war analog zur Methodik im INTERREG-Projekt zur Edelkastanie am Oberrheingraben die Erfassung über eine Befliegung zu Blütezeit geplant. Da die Edelkastanie sehr spät und markant blüht, kann sie verhältnismäßig gut aus den Luftbildern herausgelesen werden. Leider waren immer zur passenden Blütezeit die Wetterverhältnisse für eine Befliegung nicht geeignet, so dass dieser Projektteil nicht durchgeführt werden konnte.
Die über die Befragung gemeldeten Bestände wurden ausgewertet und bilden die Basis für waldwachstumskundliche, waldbauliche und genetische Untersuchungen sowie für die Erfassung der Waldschutzsituation der Edelkastanie.
Auswertung von Inventurdaten
Neben der Auswertung von Inventurdaten der Landesinventuren insbesondere zur Modellierung der Anbaueignung wurden auch die Inventurdaten der Bundeswaldinventur (BWI) analysiert. Obgleich die BWI nicht für seltene Baumarten konzipiert wurde, lassen sich aus den Daten einige vorsichtige Erkenntnisse ableiten. Als Vorkommensfläche wurden 9.180 ha errechnet, was etwas höher als die von Bouffier & Maurer (2009) ermittelten 7.500 ha sind, jedoch durch den verstärkten Anbau in den letzten zehn Jahren durchaus realistisch erscheint. Die Auswertungen bestätigen zudem das rasche Jugendwachstum und zeigen auch sehr gute ökologische Eigenschaften der Edelkastanie durch zahlreiche erfasste Biotopmerkmale (z. B. Totholz, Höhlen etc.). Ebenfalls bestätigen sie die Vorliebe der Edelkastanie für sandige, lockere und kalkfreie Böden (Lüpke et al. 2018).
Anbaueignung
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Abb. 2: Optimierte Klimarisikokarten der Edelkastanie für Bayern (Grafik: LWF)
Zur Darstellung der Anbaueignung wurde erstmals der traditionelle Ansatz der Artverbreitungsmodellierung mit dem Leistungsansatz verschnitten. Die Artverbreitungsmodellierung ermittelt dabei, unter welchen standörtlichen Bedingungen eine Baumart vorkommt oder nicht vorkommt. Gebiete mit großer Häufigkeit werden als besonders geeignet angenommen, während Gebiete, in welchen die Baumart nicht vorkommt, als ungeeignet angenommen werden. Daraus werden günstige und weniger günstige Standortsverhältnisse bzw. Standorte mit erhöhtem oder geringerem Risiko für die Baumart ermittelt.
Der Leistungsansatz betrachtet nur die Vorkommen und ermittelt, unter welchen Standortsverhältnissen eine Baumart wie gut wächst. Dies erfolgte im Fall dieses Projekts über eine Höhenbonitierung. Da jedes der Verfahren Stärken und Schwächen hat, wurde durch Verschneidung der Modelle versucht, die Darstellung der Anbaueignung zu optimieren. Aus den Daten konnten Risikokarten für Deutschland und nochmals im Projekt B76 für den Einsatz im Bayerischen Standortinformatsionssystem unter Einbezug von Bodendaten optimiert für Bayern erzeugt werden (Abbildung 2; vgl. Thurm et al. 2018; Heitz 2018).
Zur Ermittlung der Standortsansprüche wurden Daten aus der Literatur zusammengetragen. Obgleich zum Teil die Aussagen etwas variieren, kommt man in der Summe zu dem Ergebnis, dass die Edelkastanie zwar eine sehr wärmeliebende Baumart ist, die jedoch ausreichend Niederschläge für gutes Wachstum benötigt. Auf Trocknis reagiert sie in ihrem Wachstum durchaus sensibel, vergleichbar etwa den heimischen Baumarten Eiche und Kiefer. Dies haben auch die im Rahmen des Projekts durchgeführten Jahrringuntersuchungen von Uhl (2017) ergeben.
Er hat Trockenstressreaktionen für die Jahre 1976 und 2003 ausgewertet. Beide Jahre gelten für den bayerischen Raum in den vergangenen Jahrzehnten als extreme Dürreereignisse. In den Beständen, in denen Edelkastanie und Buche gemeinsam vorkommen, zeigen beide Baumarten ein sehr ähnliches Verhalten.
Beide verlieren etwa 25 % an Zuwachs im Trockenjahr und erreichen nach etwa zweieinhalb Jahren wieder das Zuwachsniveau vor dem Trockenjahr. Im Vergleich zur Eiche und zur Kiefer reagiert die Edelkastanie mit stärkerem Zuwachsrückgang (bis –12,5 %). Auf diesen Standorten ist die Trocknisresistenz der Edelkastanie auch insgesamt geringer als auf den Standorten mit Buchenbeimischung.
Jedoch erholt sich die Edelkastanie im Schnitt etwas schneller als Eiche und Kiefer, wobei auf den Standorten mit Eichenbeimischung die längste Erholungszeit und auf den Standorten mit Kiefernbeimischung die kürzeste Erholungszeit zu verzeichnen war. Statistisch sind die beschriebenen Unterschiede aber nur in wenigen Fällen signifikant. Zusammenfassend reagiert die Edelkastanie auf Trockenstress mit deutlichem Zuwachsrückgang, wobei ihre Resistenz, Resilienz und Erholungszeit auf einem vergleichbaren Niveau wie dem der heimischen Baumarten liegen.
Tabelle 1: Standortsfaktoren, die einen Anbau ermöglichen bzw. ausschließen
Standortsfaktoren | optimal | möglich | ausgeschlossen |
---|
Niederschlag [mm] | >800 | (500) 600–1.600 | <500 |
Temperatur [°C] | | (7,5) 8–15 Jahresmittel | kalte Spätfrostlagen |
Boden | tiefgründig, locker | | hydromorphe und sehr schwere Böden, reine Podsole |
Nährstoffausstattung | | schwach sauer bis neutral | freier Kalk im Oberboden |
Exposition | | alle | in Spätfrostlagen können Südhänge einen zu frühen Austrieb und damit Frostschäden begünstigen. |
Lichtbedarf | Licht- bis Halbschattbaumart, v. a. in der Jugend sehr schattenertragend | | |
Waldbauliche Aspekte
Zur Edelkastanie gibt es in Bayern kaum langfristige ertragskundliche oder waldbauliche Versuchsanlagen. Daher müssen waldbauliche Handlungsoptionen aus den Behandlungskonzepten und Erfahrungen sowie der Ökologie der Edelkastanie für den Einsatz dieser Baumart als Kernwuchs in Mischwäldern abgeleitet werden.
Demnach empfiehlt sich eine kleingruppen- bis gruppenweise Einbringung mit dienenden Schattlaubhölzern, welche ein rasches astfreies Höhenwachstum fördern und dabei die Stockaustriebe der Edelkastanie hemmen sollen. Eine frühzeitige kräftige Freistellung von ZBäumen im Alter von circa 12–15 ist dabei unerlässlich. Im Anschluss ist auf stetige freie Krone zu achten, um ein möglichst gleichmäßiges Wachstum zu gewährleisten, wodurch Jahrringsprünge und damit das Risiko für Ringschäle verringert werden können.
In dem Projekt wurde als Besonderheit auch ein beispielhafter Esskastanienbestand mit einem terrestrischen Laserscanner aufgenommen. Dabei konnte die Schaftform von 56 Bäumen erfasst und daraus eine Formzahl für Esskastanien errechnet werden. Diese liegt im erfassten Bestand im Mittel bei 0,55 (vgl. Lüpke et al. 2018).
Waldschutz
Durch die Begehung repräsentativ verteilter Edelkastanienflächen über ganz Bayern konnte ein Istzustand hinsichtlich der Waldschutzsituation erhoben werden und eine Vielzahl von Schadorganismen festgestellt werden. Dabei wurden leider auch im Juni 2016 die Erstnachweise für den Rindenkrebs (Cryphonectria parasitica) und der Edelkastanien-Gallwespe (Dryocosmus kuriphilus) geführt.
Das Risiko einer weiteren Ausbreitung beider Schaderreger ist derzeit wahrscheinlich und muss vor allem beim Rindenkrebs weiter beobachtet werden. Besonders dieser Erregertyp kann bei nicht vorhandener Hypovirulenz (Schwächung des Erregers) starke Schäden hervorrufen bzw. das komplette Absterben verursachen und zusätzlich das Holz entwerten. Diese Krankheit gilt derzeit als Hauptrisikofaktor für den Anbau der Edelkastanie. Es sollte daher besonders bei Neubegründung bzw. Umbaumaßnahmen darauf geachtet werden, dass erregerfreies Saatgut bzw. Pflanzgut verwendet wird. Dies ist auch der Grund, warum von einem großflächigen Anbau der Esskastanie – insbesondere in Reinbeständen – dringend abgeraten wird.
Die Edelkastanien-Gallwespe wurde im Jahr 2016 in Lindau, Miltenberg und Klingenberg nachgewiesen, jedoch im Jahr 2017 nicht mehr in Miltenberg und Lindau und nur in sehr geringe Maße in Klingenberg. 2018 scheint der Befall jedoch wieder zugenommen zu haben. Hinsichtlich der Holzqualität spielt die Gallwespe keine Rolle, kann aber bei starkem Befall zu Vitalitätseinbußen bzw. Zuwachseinbußen führen.
Die Ausbreitung muss dennoch weiter beobachtet werden – auch wenn langfristig sehr wahrscheinlich Torymus sinensis (eine auf die Gallwespe spezialisierte Schlupfwespe) einwandern wird – oder gar bereits eingewandert ist, wie vermutet wird – und somit ein natürlicher Antagonist vorhanden wäre. Diese Schlupfwespe ist bereits in Italien und in der Schweiz verbreitet und hat dort den Schadensdruck durch die Gallwespe spürbar gesenkt.
Hinsichtlich der Tintenkrankheit (Erreger: Phytophthora cinnamomi und P. cambivora) muss vor allem bei der Etablierung auf die Auswahl der passenden Standorte (ohne Stauwassereinfluss) geachtet werden.
Genetik
Im Rahmen des Projekts wurden erstmalig umfassende genetische Untersuchungen der deutschen Edelkastanienvorkommen durchgeführt. Ziel der Untersuchungen waren unter anderem die Beziehungen der Edelkastanienbestände in Europa untereinander, die genetische Variation der deutschen Edelkastanienbestände, mögliche Unterschiede in der Genetik bei vom Rindenkrebs befallenen und freien Bäumen innerhalb von Beständen sowie Vergleich mit Ertragssorten.
In der Untersuchung wurden insgesamt 22 Populationen aus Griechenland, Deutschland, Italien, Frankreich und Bosnien und Herzegowina mittels molekularer Marker der Chloroplasten-DNA (6 cpSSRs) und der Kern-DNA (15 nSSRs) analysiert. Für die einzelnen Populationen konnte auf 16–50 Proben zurückgeriffen werden.
Die genetischen Marker zeigen eine Verwandtschaft der deutschen Edelkastanienpopulationen zu den bosnischen Herkünften und die Bildung eines eigenständigen Genpools in Deutschland. Dabei beeinflussen lokal selektierte Sorten diesen Genpool teilweise. Die deutschen Edelkastanienbestände weisen eine vergleichsweise hohe Diversität auf, welche von einer wiederholten Einbringung von Pflanzenmaterial stammen könnte. In zwei Beständen in Bayern und Thüringen wurden detaillierte Studien zum Genfluss innerhalb der Bestände durchgeführt. Dabei kommt es, ähnlich wie bei Eiche, vermehrt zur Bestäubung von Nachbarbäumen. Daher ist die Gewinnung von Saatgut von benachbarten Bäumen kritisch zu sehen. Ein Mindestabstand von 40–50 m zwischen den Bäumen sollte eingehalten bzw. bei Netzernten die Netze dementsprechend positioniert werden (vgl. Fussi & Hübner 2018).
Die genetische Variation der untersuchten Erntebestände der Edelkastanie in Deutschland ist vergleichbar mit jener aus dem ursprünglichen Verbreitungsgebiet der Edelkastanie. Für die Einschätzung der Zulassung aus genetischer Sicht wurden drei Kategorien festgelegt. Die untersuchten zugelassenen Erntebestände in Deutschland entsprechen den ersten beiden Kategorien mit mittlerer bis hoher genetischer Diversität. In Bayern (Uffenheim) wurde ein Bestand (BY_ UF) identifiziert, welcher aufgrund seiner genetischen Ausstattung als neuer Saatguterntebestand geeignet erscheint. Genetische Unterschiede bei vom Rindenkrebs befallenen und freien Bäumen innerhalb von Beständen konnten nicht oder nicht im signifikanten Bereich festgestellt werden.
Holz und Vermarktung
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Abb. 3: 47-jähriger, 52 cm starker Wertholzstamm. Wer Wertholz produzieren will, muss darauf achten, Wachstumsschwankungen während des Baumwachstums möglichst zu vermeiden. (Foto: W. Wambsganß)
Im Rahmen einer Masterarbeit wurden neben einer Literaturstudie zur Holzverwendung auch eine Befragung der holzverarbeitenden Industrie hinsichtlich des Nutzungspotenzials des Edelkastanienholzes sowie Klebeversuche durchgeführt (Oswald 2017). Die Literaturstudie zeigt, dass Edelkastanienholz aus unterschiedlichsten Sortimenten für eine Vielzahl an Produkten verwendet werden kann. Besonders die gute und langfristige Beständigkeit hebt die Holzart von anderen ab und ermöglicht viele Einsatzgebiet auch im Außenbereich, wie auch der Dauerhaftigkeitsversuch zeigte.
Die Abnahme entsprechender Sortimente setzt jedoch eine entsprechende verarbeitende Industrie und als Kundennachfrage nach Edelkastanienholzprodukten voraus. Im Rahmen der Befragung ist beides in Bayern derzeit nur in geringen Umfang vorhanden. Hinsichtlich der verarbeitenden Betriebe müssen vor allem zunächst das Angebot an passenden Sortimenten und die Nachfrage beim Kunden erhöht werden. Aufgrund der Umbaumaßnahmen von Wäldern ist derzeit von einer zukünftigen stärkeren Verfügbarkeit (höherem Angebot) von Edelkastanienholz auszugehen, jedoch sollte hierzu rechtzeitig hinsichtlich einer hohen Holzqualität mit größerem Wertschöpfungspotenzial gearbeitet werden.
Im Falle minderer Holzqualität zeigte der Klebeversuch mangelhafte Weiterverarbeitung zu Fensterkanteln. Aber es sind weitere Untersuchungen mit besseren Sortimenten nötig. Trotz des kleinen Marktes für Edelkastanienholz können bereits für schwache Palisaden-Sortimente gute bis sehr gute Preise erzielt werden. Das rasche Jugendwachstum und die hohe Stockausschlagfähigkeit machen die Edelkastanie interessant für den Anbau in Energieholzplantagen.
Das mangelnde Kundeninteresse kann nur durch geeignete Marketingmaßnahmen erhöht werden. Ein positiver Effekt hinsichtlich der Bekanntheit durch den »Baum des Jahres 2018« muss abgewartet werden. Da in Bayern jedoch derzeit nur sehr niedriges Edelkastanienaufkommen generiert wird, ist derzeit eine großflächige Bewerbung nicht lukrativ und nicht nachhaltig.
Zusammenfassung
Die Ess- oder auch Edelkastanie zeigt in weiten Teilen Bayerns gute Wuchseigenschaften, insbesondere auf tiefgründigen, gut wasserversorgten Böden in wärmebegünstigten Lagen. Durch die zu erwartenden klimatischen Veränderungen mit steigenden Temperaturen und eher gleichbleibenden Niederschlägen wird sich hierbei die Fläche der für sie geeigneten Standorte aller Erwartung nach vergrößern.
Damit diese Baumart die hohen Erwartungen (Dürre- und Frosttoleranz, hohes Anpassungspotenzial) erfüllen kann, sollte das Ausgangsmaterial, aus dem die Pflanzen produziert werden, Mindestanforderungen bei genetischen und phänotypischen Merkmalen erfüllen. Es hat sich gezeigt, dass die untersuchten zugelassenen Saatguterntebestände in Süddeutschland mittlere bis hohe genetische Diversität im Vergleich mit Populationen im natürlichen Verbreitungsgebiet aufweisen. Ein zusätzlicher Bestand in Bayern (BY_UF) kann nach Prüfung der phänotypischen Qualität aus genetischer Sicht zur Saatguternte zugelassen werden.
Lokalsorten stehen den deutschen Beständen genetisch nahe, Sorten aus den Nachbarländern beeinflussen die deutschen Bestände genetisch nicht. Die Edelkastanie fügt sich gut in die heimischen Ökosysteme ein und liefert zahlreichen Arten Lebensraum und Nahrung (Segatz et al. 2015). Die Edelkastanie hat ein festes, dauerhaftes Holz und kann bei entsprechender Pflege in kurzer Zeit wertholzhaltige Stämme produzieren.
Aufgrund des geringen Angebotes ist der Markt für Edelkastanienholz in Deutschland allerdings sehr klein. Mit dem Rindenkrebs hat sie jedoch einen hochgefährlichen Widersacher, welcher durchaus bestandsbedrohend werden kann. Dies spricht in jedem Fall gegen großflächige Anbauten dieser Art. Kleinflächiges Einbringen auf geeigneten Standorten stellt dagegen eine ökologische Bereicherung der heimischen Wälder dar und fördert die Bestandesstabilität und Risikostreuung. Je nach waldbaulicher Zielsetzung erfordert die Edelkastanie eine spezifische und anspruchsvolle Bewirtschaftung. Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass die Edel- oder Esskastanie sicher nicht die alleinige Rettung unserer Wälder in Zeiten von Trockenperioden und steigenden Temperaturen ist, jedoch ein Stück weit dazu mit beitragen kann.
Literatur
- Bouffier, V. A.; Maurer, W. D. (2009): Germany. In: D. Avanzato (Hg.): Following chestnut footprints (Castanea spp.). Cultivation and culture, folklore and history, tradition and uses = Sulle orme del castagno (Castanea spp.): Coltura e cultura, folclore e storia, tradizioni e usi. Leuven: International Society for Horticultural Science (Scripta horticulturae, 9), S. 53–62
- Fussi, B.; Hübner, C. (2018): Die Edelkastanie – genetische Einblicke in den Baum des Jahres. Berichte des Forschungszentrums Waldökosysteme der Universität Göttingen, Reihe B, Band 83, Forstwissenschaftliche Tagung 2018 in Göttingen, (Hrsg.) Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie der Georg-August-Universität Göttingen, ISSN 2363-7323, ISBN 978-3-940617-11-8, S. 317
- Heitz, R. (2018): Anbaueignung der Edelkastanie in Deutschland – ein Blick auf’s Wachstum. Berichte des Forschungszentrums Waldökosysteme der Universität Göttingen, Reihe B, Band 83, Forstwissenschaftliche Tagung 2018 in Göttingen, (Hrsg.) Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie der Georg-August-Universität Göttingen, ISSN 2363-7323, ISBN 978-3-940617-11-8, S. 53
- Lüpke, M.; Heitz, R.; Uhl, E.; Hübner, C. (2018): Die Edelkastanie in Bayern – Erkenntnisse aus einem Projekt der LWF. LWF Wissen 81, Freising, ISSN 2196-106X, S. 42–53
- Oswald, Clemens (2017): Master Thesis: Das Holz der Edelkastanie: Nutzungspotenziale und Analyse ausgewählter Holzeigenschaften. TU München. München
- Segatz, E. (Hrsg.) (2015): Die Edelkastanie am Oberrhein – Aspekte ihrer Ökologie, Nutzung und Gefährdung; Ergebnisse aus dem INTERREG IV A Oberrhein-Projekt. In: Mitteilungen aus der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland- Pfalz 74
- Thurm, E.A.; Heitz, R. (2018): Anbaueignung der Edelkastanie in Deutschland. LWF Wissen 81, Freising, ISSN 2196-106X, S. 31–39
- Uhl, E. (2017): Zuwachsdynamik und Resilienzverhalten der Edelkastanie (Castanea sativa MILL.) in Mischbeständen in Bayern. Deutscher Verband Forstlicher Versuchsanstalten (DVFFA) Sektion Ertragskunde: Berichte zur Jahrestagung 2017, Freiburg i.Br., ISSN 1432-2609, S. 30–42
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