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Stefan Müller-Kroehling
Fichtenwälder in Bayern und ihre Biodiversität- LWF-Wissen 80

Der Baum, der aus der Kälte kam – Natürliche Fichtenwälder

Moorfläche mit kleinwüchsigen FichtenZoombild vorhanden

Abb. 1: Hochlagenmoor mit »Krüppelfichten« im Allgäu. (Foto: S. Müller-Kroehling)

In Bezug auf ihre natürlichen Vorkommen kennzeichnet die Fichte vor allem eines: ihre Fähigkeit, Kälte zu ertragen. Hier macht ihr keine andere Baumart etwas vor. Natürliche Fichtenwälder können durch subalpine Höhenlage, ferner aber auch azonal auf kluftreichen Block-Standorten mit Kaltluft-Einfluss sowie im Bereich von Mooren (Abbildung 1) vorkommen (Rabeler 1967; Oberdorfer 1992; Härdtle et al. 2004).

Erstere beide Varianten sind dem Lebensraumtyp der Fauna- Flora- Habitat-Richtlinie (FFH-LRT) 9410 »Bodensaure Nadelwälder « (eigentlich: »Acidophilous Picea Forests«) zuzuordnen, letztere den Fichten-Moorwäldern des FFH-LRT *94D4 (* = prioritärer LRT). Gemeinsame Klammer um diese beiden Typen natürlicher Fichtenwälder ist das ausgeprägte Kälteregime, das die Fichte aufgrund ihrer besonders hohen Frostresistenz (Altenkirch et al. 2002; Müller 1991) praktisch konkurrenzlos und sie trotz des natürlicherweise nahezu reinbestandsweisen Auftretens wenig anfällig für in situ entstehende Borkenkäfer-Massenvermehrungen macht.

Natürliche Fichtenwälder Deutschlands sind auf die höchsten Lagen hoher Mittelgebirge wie Schwarzwald, Erzgebirge und Harz beschränkt und kommen in Bayern außerhalb der Alpen nur im Inneren Bayerischen Wald vor, in Höhenlagen ab ca. 1.150 bis 1.250 m ü. NN, sowie »angedeutet in Gipfellagen des Fichtelgebirges« (Walentowski et al. 2004). Sie sind außerhalb der Hochgebirge wie Alpen und Karpaten ein sehr seltener Lebensraum, der in Bayern wie in Deutschland und Mitteleuropa insgesamt nur geringe Flächen einnimmt (Bohn et al. 2003), was bei Naturschutzbetrachtungen angesichts der Allgegenwärtigkeit von Fichten in unseren Wäldern (in Form meist reiner Fichtenforsten) zum Teil übersehen wird (Müller-Kroehling et al. 2009b).
Das Gros der bayerischen Vorkommen außerhalb der Alpen liegt im Nationalpark Bayerischer Wald, ferner am Arber und am Dreisessel.
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Auf Tradition gebaut – wie erneuern sich Fichtenwälder?

Historische Zeichnung einer Fichte mit zitiertem TextZoombild vorhanden

Abb. 2: Verjüngung auf Moderholz nach Göppert (1868)

Natürliche Hochlagen-Fichtenwälder besitzen eine spezielle Verjüngungsökologie, die je nach Standort zu erheblichen Anteilen oder vollständig über Rannen- oder Moderholzverjüngung erfolgt (siehe LWF-Merkblatt Nr. 3 »Fichtenverjüngung in Hochlagen auf Moderholz«). Bei einer Verjüngung auf dem Boden hat die Fichte hingegen bei langen und hohen Schneelagen wesentlich größere Probleme mit Schneegleiten, Schneeschimmel-Befall, einem verjüngungshemmenden Bergreitgras-Filz oder anderer Konkurrenzvegetation.

Die Verjüngung natürlicher Fichtenwälder erfolgte in aller Regel wohl kleinflächig und im Bestandesschatten oder kleinen Auflichtungen, was man sowohl im Hochgebirge als auch in den wenigen Urwäldern Mitteleuropas (Urwald Rothwald, Urwald Kubany, Urwald-Flächen in Slowenien) beobachten kann (Reininger 2000).

Die von Chronisten dokumentierten Jahre der »Großen Wurmtrocknis« in Trockensommern und nach Orkanen, über die ab dem 15. Jahrhundert berichtet wurde, beziehen sich zeitlich bereits auf Wälder, die vom Menschen massiv überprägt waren. In der mittelalterlichen Wärmephase zwischen 1100 und 1300 wurden auch in den Mittelgebirgen die ursprünglichen Wälder in den gut zugänglichen, triftbaren Hanglagen in Nutzung genommen (Hasel 1985; Behringer 2007).
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Fichte als Mischbaumart – Erkenntnisse aus Naturwaldreservaten

Fichtenbestand mit liegendem Totoholz.Zoombild vorhanden

Abb. 3: Strukturreicher subalpiner Fichtenwald im NWR "Wettersteinwald" (Foto: S. Müller-Kroehling)

In den Naturwaldreservaten (NWR) der Buchen- und selbst der Bergmischwaldstufe, die bei der Ausweisung über Fichten-Beimischungen verfügten, vollzieht sich in den Jahren nach der Ausweisung in der Regel ein Ausfall der älteren Fichten und ein weitgehendes Fehlen in der Naturverjüngung. Hier zeigt sich, dass die Fichte im berühmten »Dreiklang« des Bergmischwaldes aus »Fichte – Tanne – Buche« eigentlich die dritte Geige zu spielen hätte, also »Buche – Tanne – Fichte«.

Wie stark das der Fall ist, belegen beispielsweise die aktuellen Verjüngungsaufnahmen (2015) aus dem NWR »Stückberg« in den relativ höchsten Lagen des Oberpfälzer Waldes (NWR gelegen auf 675 – 808 m ü. NN). Nur in 8 von 61 Probekreisen (13 %) trat Fichten-Verjüngung auf, mit einem Anteil von 1,6 % an der Verjüngung insgesamt, während die Buche mit 51 von 64 Probekreisen (80 %) und einem Anteil von 96,6 % die Verjüngung dominiert, und diesen Anteil tendenziell im weiteren Bestandsleben eher noch weiter aus bauen kann.

Auch die Tanne spielt, allerdings möglicherweise bedingt durch Verbiss und frühere Reduktion, eine derzeit insgesamt mit der Fichte vergleichbare, nur geringe Rolle im Verjüngungsgeschehen dieses Naturwaldreservats. Nicht umsonst war und ist es in den Hanglagen des ostbayerischen Grenzgebirges gängige Praxis, sich bei entsprechender Ausgangslage (angepasste Wildbestände, Vorhandensein aller Hauptbaumarten im Ausgangsbestand) um die ausreichende Verjüngung der Fichte in Mischung mit Buche und Tanne sehr aktiv kümmern zu müssen – in der Vergangenheit zum Teil sogar mit Herbiziden gegen die »Verbuchung«, heute durch mechanische Pflegeeingriffe.

Gerade in manchen Naturwaldreservaten (und Wirtschaftswäldern), in denen die Fichte gar nicht zum natürlichen Baumartenrepertoire gehört, tritt teilweise üppige Fichten-Verjüngung auf, so im NWR »Seeben« im Schwäbischen Schotterriedelland. Bekanntlich sind gerade Feinlehme häufig besonders günstige Verjüngungsflächen. Die Fichte weist in unseren Breiten also regelrecht ein »Verjüngungsparadox« auf: Dort, wo ihre natürlichen Vorkommen sind, ist sie auf spezielle Verjüngungsstrategien angewiesen, und dort, wo sie von Natur aus nur eine allenfalls stark untergeordnete Rolle einnehmen würde, verjüngt sie sich zumindest vom Standort her meist problemlos.

Der Hochlagenwald ist nicht die Tundra

Kleine Fichten wachsen auf liegendem Totholz.Zoombild vorhanden

Abb. 4: Rannenverjüngung der Fichte im Moorwald (Foto: S. Müller-Kroehling)

Die Lebensbedingungen der Fichte unserer Mittelgebirge haben viele Gemeinsamkeiten mit den Bedingungen der borealen Fichtenwälder der nordischen Tundra und skandinavischen Gebirge – aber auch wichtige Unterschiede. Die Fichtenwälder des Nordens sind zonale Gesellschaften und bedecken riesige Flächen. Zu Massenvermehrungen neigende Borkenkäferarten werden wie auch im Gebirgsareal der Fichte durch die Kälte und die kurze Vegetationsperiode in Schach gehalten, so dass sich dort unter natürlichen Verhältnissen (was auch einen fehlenden Befallsdruck aus angrenzenden Kalamitätsgebieten tieferer Lagen beinhaltet) keine großflächigen Kalamitäten aufbauen können. Eine Besonderheit der borealen Fichtenwälder normaler Standorte ist, dass sie sich häufig zyklisch erneuern, oft gesteuert durch Waldbrände.

Das trifft auf die Fichtenwälder unserer Hochlagen jedoch nicht zu. Hier erfolgt die Verjüngung im Gegenteil in der Regel im Schatten und auf dem »Moderholz« der Altbäume des Vorbestands (Abbildung 2). Ohne eine solche, funktionierende Rannenverjüngung vergreisen die Fichtenbestände des Gebirges. Die fehlende Möglichkeit zu dieser Verjüngungsform aufgrund zu geringer Mengen an Starktotholz ist die eine anthropogene Achillesferse des Berg-Fichtenwalds.

Die andere, die den Borkenkäfern immer bessere Entwicklungsbedingungen bietet, ist der Klimawandel. In den nordischen Nadelwäldern erweisen sich Waldbrände als »Jungbrunnen« für die zyklische Walderneuerung, doch wäre es ein Irrtum, dies auch auf hiesige Verhältnisse übertragen zu wollen, mit oder ohne Waldbrand. Großflächigen Zusammenbruch kennen die subalpinen, natürlichen Berg-Fichtenwälder erst, seit es die Anlage von Fichten-Reinbeständen in den Hanglagen gibt, und in jüngster Zeit verstärkt durch den Klimawandel.
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Spezielle Fichtenwaldflora

Moosboden mit BärlappZoombild vorhanden

Abb. 6: Der Sprossende Bärlapp ist eine Charakterart der Fichtenwälder. (Foto: S. Müller-Kroehling)

Die Flora natürlicher Fichtenwälder wird von Arten dominiert, die Rohhumus-Standorte und Kälte vertragen können, wie Heidel- und Preiselbeere (Vaccinium myrtillus, V. vitis-idaea) und Sprossendem Bärlapp (Lycopodium annotinum). Diese eher seltene Art, die auch äußerlich in ihrer Benadelung an einen Nadelbaum erinnert (Abbildung 6), gilt als Charakterart der Klasse der Fichtenwälder (Piceetalia).

Unter den Spezialisten der Fichtenwälder gibt es nicht wenige Arten, die vor allem in den Fichten-Moorwäldern auftreten, oder aber in Gebieten mit sehr hohen Niederschlägen, so das Peitschenmoos (Bazzania trilobata) oder der Siebenstern (Trientalis europaea). Andere Arten der Fichtenwälder bevorzugen eher die blockreichen oder oberflächlich »verheideten« Varianten, wie das Moos Barbilophozia floerkei (Meinunger und Schröder 2007).

Nicht wenige der Fichtenwald-Pflanzen konnten aber dem Fichtenanbau auch in tiefere Lagen folgen, wie etwa das Riemenmoos Rythidiadelphus loreus. Hierzu zählt wohl auch das bevorzugt in luftfeuchten Wäldern auf Nadeltotholz wachsende Kobolds-Moos Buxbaumia viridis als Art des Anhanges II der FFH-Richtlinie, das vor allem saure Auflageformen in Gebieten mit Kalkgestein zu präferieren scheint (Meinunger und Schröder 2007).

Pilze in Fichtenwäldern und an Fichte

Weißer Pilz-Fruchtkörper auf Nadelstreu.Zoombild vorhanden

Abb. 7: Der Gallertige Zitterzahn kann auch in Fichtenforsten vorkommen, sofern sie über ein luftfeuchtes Bestandsklima verfügen. (Foto: M. Blaschke)

Natürliche Fichtenwälder bieten einer großen Fülle von Mykorrhiza-Pilzen einen Lebensraum. Auch für eine Vielzahl holzzersetzender, oft unscheinbarer Arten ist das Holz der Fichte ein geeignetes Wuchssubstrat und der passende Lebensraum. Fichtensteinpilz (Boletus edulis), Echter Pfifferling (Cantharellus cibarius) und Fliegenpilz (Amanita muscaria) sind wichtige »Mykorrhiza-Partner« der Fichte und helfen ihr so, unter den eher widrigen Wuchsbedingungen, Wachstum und Überleben zu sichern. Gerade in den für das Baumwachstum schwierigeren Bereichen nehmen die Mykorrhizapartner, die in der Regel der Ektomykorrhiza zugeordnet werden können, an Bedeutung daher sehr stark zu.

Der Parasol (Macrolepiota procera) ist als Streuzersetzer vor allem in Bestandslücken zu finden. In dichten Fichtenbeständen wird er in der Regel durch Safranschirmlinge wie den Gemeinen Safranschirmling (Chlorophyllum rachode) abgelöst. Die Nadelstreu der Fichten bietet auch zahlreichen Zersetzern wie dem Knoblauchsschwindling (Marasmius scorodonius) ein Auskommen.

In Fichtenwäldern können regelmäßig zahlreiche weitere typische Vertreter der Mykorrhizapilze aus den unterschiedlichen Pilzfamilien beobachtet werden, wie die weit verbreiteten Arten Maronenröhrling (Xerocomus badius) und Flockenstieliger Hexenröhrling (Neoboletus luridiformis).
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Tierarten in Fichtenwäldern

Eine große Zahl von Tierarten besiedelt die Fichte und lebt in von ihr aufgebauten Wäldern und Forsten. Besondere Beachtung verdienen jene Arten, die auf natürliche Fichtenvorkommen der höchsten Lagen oder ganz bestimmter Standortbedingungen beschränkt sind. Auch einige reliktär verbreitete Arten (so genannte »Urwaldrelikte« und »Eiszeitrelikte«) und andere seltene Spezies mit boreomontaner oder boreoalpiner Verbreitung gehören in letztere Gruppe (z. B. Bußler et al. 2013).

Nordische Käfer

Die Liste der xylobionten Käferarten an der Fichte in Europa umfasst um 400 Arten (Palm 1959; Ammer 1991; Bense 2002; Saalas 1923). Nur sehr wenige Arten sind monophag an Fichte gebunden, da die meisten Fichtenbesiedler auch andere Nadelhölzer als Brutbaumarten nutzen. An der Fichte sind in der West- und Zentralpaläarktis 39 verschiedene Borkenkäferarten nachgewiesen (Pfeffer 1995).

An flächigen Gradationen sind in Deutschland nur zwei Arten entscheidend beteiligt: Buchdrucker (Ips typographus) und Kupferstecher (Pityogenes chalcographus). Der Buchdrucker ist in Eurasien der bedeutendste Schädling reifer Fichtenbeständen (Grodzki et al. 2004; Wermelinger 2004). In der gesamten nördlichen Hemisphäre wird in Folge des Klimawandels eine Zunahme der Borkenkäfergradationen beobachtet (Schelhaas 2003).

In Fichtenwäldern leben auch unter den Borkenkäfern seltene Spezialisten. An standortheimische Fichtenwälder gebunden sind der bisher wenig beachtete Nutzholzborkenkäfer Xyloterus (Trypodendron) laeve (Bußler und Schmidt 2008) und der Nordische Fichtenborkenkäfer Dryocoetes hectographus. Auch die Familien der Bock-, Schnell- und Schimmelkäfer enthalten einige sehr seltene und spezialisierte Arten.

Die reliktär verbreiteten Totholzkäfer kommen vor allem im Alpenraum und dem Bayerischen Wald vor, während die Artenzahl aus dieser exklusiven Gruppe im Fichtelgebirge mit seinem sehr beschränkten natürlichen Fichtenvorkommen entsprechend deutlich reduziert ist. Zu den Arten ursprünglicher Fichtenwälder gehört als Art der FFH-Richtlinie der Gestreifte Bergwaldbohrkäfer (Stephanopachys substriatus).

Übrige Insekten und Wirbellose

Auch mehrere Käferarten, die sich nicht in Totholz entwickeln, sind bevorzugt in Fichtenwäldern zu finden. Als Beispiel kann der koprophage, also konkret in Schalenwild-Kot sich entwickelnde Blatthornkäfer Aphodius piceus erwähnt werden. Dieser lebt in der »locker bestandenen Fichten-Krüppelzone der Bergkuppe und auf kleinen, mit Zwergsträuchern bestandenen Lichtungen«, ist dabei aber gleichwohl eine reine »Art der Wälder« (Rößner 2012). Es ist aufgrund seiner Bindung an Kälte das Beispiel einer Art, die an natürliche Fichtenwälder gebunden ist.

Auch unter den übrigen Wirbellosen gibt es natürlich eine nicht geringe Zahl von Spezialisten der Fichte. Vor allem jene Arten, die sich an frischen Nadeln oder Früchten entwickeln, sind vielfach relativ stark spezialisiert. Zwei sehr bekannte Arten sind die Fichtengallenläuse der Gattung Sacchiphantes, die auffällige Zweiggallen wie die »Ananasgallen« erzeugen. Obwohl die Grüne Fichtengallenlaus (Sacchiphantes viridis) dabei anders als die Ananas-Gallenlaus (S. abietis) als Nebenwirt die ebenfalls bei uns rein alpine Gattung der Lärchen (Larix) benötigt, ist es doch ein Beispiel für die Gruppe heimischer Spezialisten im Tierreich, die der Fichte in ihre Anbauflächen in tieferen Lagen folgen konnten.

Allein die Zahl der Bewohner von Fichtenzapfen und Fichtensamen umfasst mehrere Dutzend Arten, darunter unter anderem Käfer, Wanzen, Schmetterlinge, und Gallmücken. Manche nutzen die Zapfen als Nahrung, andere Teile des Zapfens als Entwicklungshabitat oder als spezielles Winterquartier (Holste 1922).
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Bodenfauna

Großer braun-schwarzer Käfer auf Rindenstück.Zoombild vorhanden

Abb. 8: Der Harz-Großlaufkäfer (Carabus linnei) liebt in manchen Teilen Bayerns montane Fichtenforste
besonders. (Foto: F. Ruggiero)

Am Anfang der Bodenfauna sollen hier vor allem die besonders gut untersuchten Laufkäfer (Carabidae) betrachtet werden (Abbildung 8). Natürliche Fichtenwälder weisen eine Bodenfauna auf, die an Kälte und dadurch gehemmte Streuzersetzung und somit an saure Moderauflagen, ja in höheren Lagen sogar an Rohhumus, angepasst sind. Manche der spezialisierten Fichtenwald-Arten kommen dabei sowohl auf nassem Rohhumus als auch in den Fichten-Moorwäldern vor.

Es gibt aber auch ganz ausgeprägte Fichten-Moorwald-Spezialisten, wie den boreoalpin verbreiteten Patrobus assimilis (Rabeler 1967; Platen 1994), der ausschließlich den dauerkalten Hochlagen-Fichten- Krüppelwald der Moorwald-Kampfzone besiedelt (Müller-Kroehling 2015).

Als zweite Gruppe gibt es auch Spezialisten blockreicher Fichtenwälder. Viele der Bodenbewohner »ertragen« die Standortverhältnisse in Fichtenforsten, finden aber in naturnäheren Misch- und Laubwäldern meist bessere Lebensbedingungen.

Es gibt aber durchaus auch Arten, für die Fichtenforste mit ihren Moderauflagen und ihrer sauren Streu offenbar einen besonders geeigneten Lebensraum darstellen. Durchaus artenreich können auch junge Entwicklungsphasen von Fichtenforsten und Kahlschlagsflächen sein (Lauterbach 1964; Geiler 1974).
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Wirbeltiere

Schwarz-weißer Vogel mit Nahrung im Schnabel hockt vor der Höhle an einem Nadelbaum.Zoombild vorhanden

Abb. 9: Der Dreizehenspecht braucht höhere Totholzmengen, als wir ihm im Wirtschaftswald bieten können.
(Foto: H.-J. Fünfstück, www.5erls-naturfotos.de)

Vögel sind besonders beliebte Zielarten im Waldnaturschutz. Ihre Auswahl sollte jedoch gerade auch im Kontext der Baumart Fichte gut überlegt und gut begründet werden. Die Fichtenwälder der Hochlagen verfügen mit dem Auerhuhn über einen »Wappenvogel«, der einen hohen Stellenwert im Naturschutz genießt. Dabei ist es als Leitart durchaus nicht unkritisch zu sehen: Es profitierte von Nadelforstwirtschaft mit Streunutzung und verheideten Wäldern, von Kahlschlägen und sogar vom Waldsterben (Klaus 1994).

Naturnahe Baumartenzusammensetzung und Waldumbau sind für das Auerhuhn hingegen auf den meisten Waldstandorten gerade nicht förderlich. Es braucht zuallererst heidelbeerreiche Wälder, die es außerhalb der natürlichen, subalpinen Fichtenwaldstufe vor allem in lichten Nadelforsten findet (Höcke et al. 2016).

Der Dreizehenspecht (Picoides tridactylus) ist ebenfalls ursprünglich ein Spezialist der Hochlagen-Fichtenwälder (Abbildung 9). Er ist zum Nahrungserwerb auf »Käferbäume« angewiesen, wo er Larven von Borken- und Bockkäfern und anderen xylobionten Arten als Nahrung findet. Deshalb ist er an Nadelwälder mit sehr hohen Totholzmengen gebunden. Zumindest in Teilbereichen benötigt er Kernflächen mit einem Schwellenwert von 60 – 70 fm Totholz pro Hektar (Bütler und Schlaepfer 2004). Die Art kommt daher regelmäßig nur im Hochgebirge, in den Hochlagen des Bayerischen Waldes und mit wenigen Brutpaaren im Fichtelgebirge vor, wo es solche Bestände teilweise gibt.
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Fichtenforste und Biodiversität

Dies leitet zur Fragen des »Naturschutzwerts« von Fichtenforsten über. Diese »Holzacker« sind oft schon rein optisch klassische Monokulturen: Fichten stehen in »Reih und Glied«, eine Bodenvegetation ist in den mittleren Bestandsaltern fast nicht existent. Und dennoch kommen auch in Fichtenforsten heimische Arten vor, und manche davon »lieben« diesen Lebensraum regelrecht.

Es sind Arten, die saure Standortbedingungen, Moder-Humusformen und die darin lebende Zersetzergemeinschaft als Nahrungstiere bevorzugen, wie gebietsweise die Laufkäfer Carabus hortensis oder Pterostichus unctulatus (Müller-Kroehling 2015). Beide Arten sind reine Europäer mit relativ hoher Schutzverantwortung unsererseits. Auch der Goldene Berglaufkäfer (Carabus auronitens) wird in Kalkgebieten offenbar durch den Nadelforstanbau gefördert (z.B. Roth 1984), da er säurepräferent ist (Müller-Kroehling 2015).

Die Zusammensetzung der Bodenfauna in Fichtenforsten ist gegenüber Laubwäldern verändert, aber keineswegs individuen- oder biomassearm (Thiede 1977). Untersuchungen zur Laufkäfer-Fauna in Fichtenforsten des Frankenwaldes (Teilflächen mit reiner Fichte in Naturwaldreservaten, Waldklimastation Rothenkirchen; s. Förster 1986a und Müller-Kroehling 2007) zeigen das ganze Spektrum der Bewertung auf:
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Fichtenwälder und ihre Lebewelt im Klimawandel

Die Fichte, wie auch ihre Spezialisten, benötigen kalte Winter, die außerhalb der Alpen nur in Mittelgebirgen oder extrazonalen, kalten Sonderstandorten wie Moorwäldern und im Bereich von Blockhalden auftreten. Die prognostizierten milderen Winter im Zuge des Klimawandels gefährden unsere Fichtenwald-Arten (Solbreck et al. 1993; Somme et al. 1993). Ganz besonders werden die boreomontanen Reliktarten in den Alpen und in den Mittelgebirgen betroffen sein (Müller-Kroehling und Jantsch 2015; Pizzolotto et al. 2014).

Bereits in der Vergangenheit gab es Warmzeiten, in denen diese Arten stellenweise »nach oben ausweichen« mussten, und weswegen sie in manchen Mittelgebirgen heute fehlen, die momentan eigentlich (noch) günstige Bedingungen für sie bieten würden. Ihnen möglichst intakte Standorte (Kälte- und Nässestandorte, Waldinnenklima) zu bieten, ist der beste Beitrag für ihren Erhalt, den wir beisteuern können: also der Erhalt des Lokalklimas, wenn denn schon das Globalklima starken Änderungen und Schwankungen unterworfen ist.

Wenn wir eines im Klimawandel in unserer zerschnittenen Landschaft ganz dringlich brauchen, sind es Ausbreitungskorridore für die Arten und deren nötigen, der Anpassung an das ändernde Klima dienenden Wanderungen (Coope 1995). Fichtenforste können bekanntlich und unerwünscht als »Querriegel« in offenen Tälern auch als Barrieren für die Ausbreitung von Arten wirken (Licht 1993). Gleichzeitig sind selbst Fichtenforste aber auch Wanderkorridore für Waldarten. Ihre Streu ist zwar oberflächlich trocken und sauer, aber dennoch sind viele Waldarten durchaus in der Lage, sie zu durchwandern.

Fichtenwald – quo vadis?

Der Schutz der Arten, die in Mitteleuropa in Fichtenwäldern und an der Fichte leben, ist noch lange nicht zu Ende gedacht, sondern fokussiert viel zu sehr auf den zwei Extrem-Strategien »reiner Wirtschaftswald« (vermeintlich ohne Naturschutz-Wert) und »Prozessschutzwald « (als vermeintliche Idealvariante). Die hier vorgestellten Beispiele illustrieren, dass auch Fichtenforste keine »ökologischen Wüsten« sein müssen.

Fichtenforste auf »alten Waldstandorten«, die also nie gerodet und als andere Nutzungsform genutzt waren, können durchaus die Heimat von Arten »alter Wälder« sein. Manche säurepräferenten oder Magerkeit-liebenden Arten haben in lichten Nadelforsten oder auf dortigen Lichtungsflächen regional ihre letzten Vorkommen erhalten können. Das heißt nicht, dass wir diese Waldformen heute anstreben müssen, aber dennoch dürfen wir ihnen dort, wo wir sie aus der Historie heraus haben, die nötige Beachtung schenken.

Dreizehenspecht und Zitronengelbe Tramete zeigen, dass wir für den Erhalt der Biodiversität auch Fichtenbestände mit hohen Totholzmengen benötigen. Gleichzeitig gibt es auch ein »Zuviel« des Prozessschutzes, wenn nicht natürliche Fichtenwälder mit einbezogen werden und angrenzende Hochlagenwälder in den Sog einer Kalamität geraten.

Für eine Bilanzierung der mutmaßlichen »Erfolge« eines Zusammenbruchs Fichten-überprägter Bestände im Bergmischwald wie im Hochlagenwald wäre ein umfassender Vergleich mit Kahlflächen im Wirtschaftswald, mit kleinflächig bewirtschafteten Fichten-Wirtschaftswäldern der montanen Zone und mit intakten Fichten-Hochlagenbeständen notwendig (vgl. z. B. Hjälten et al. 2012).

Zusammenfassung

Natürliche Fichtenwälder sind in Bayern auf höchste Lagen der Gebirge oder anderweitig durch Kälte geprägte Sonderstandorte beschränkt. Sie sind ein seltener und unter anderem durch den Klimawandel gefährdeter Lebensraum. Zahlreiche Spezialisten aus dem Tier- und Pflanzenreich und der Gruppe der Pilze sind auf natürliche Vorkommen dieses Lebensraumes beschränkt.

Viele Arten, auch solche mit Naturschutzrelevanz, konnten auch den Anbau der Fichte zur Erweiterung ihres Lebensraumes nutzen, zulasten allerdings von Laubwald-Arten. Für den Erhalt der Biodiversität der Fichtenwälder bedarf es spezieller Anstrengungen und ausgewogener Konzepte, die vor allem einen effektiven Biotopverbund beinhalten.

Literatur

Aus anderen Rubriken

Bodensaure Fichtenwälder (LRT 9410) im FFH-Bericht nach Artikel 17

Alle sechs Jahre ist nach Artikel 17 der FFH-Richtlinie EU-weit an die EU-Kommission zu berichten, in welchem Erhaltungszustand sich die Schutzobjekte der FFH-Anhänge befinden (FFH-Berichtspflicht). In der »Alpinen biogeographischen Region« standen für Bayern und somit auch Deutschland für den Bodensauren Fichtenwald (LRT 9410) wie auch den Moorwald (LRT *94D0) beim letzten Bericht (2013) alle Merkmale (Verbreitung, Fläche, Strukturen, Zukunftsaussichten) auf »grün« und waren mithin »günstig« ausgeprägt. Kritischer und kleiner ist das Vorkommen in der »Kontinentalen Region«, mit in Bayern ca. 5.000 ha, besonders aufgrund des Klimawandels (Merkmal »Zukunftsaussichten«). Der Fichten-Moorwald als spezieller Subtyp (*91D4) scheint im FFH-Bericht nicht eigens auf.

Quelle des Berichts: ETC (2013); ein Sternchen bei der LRT-Nummer kennzeichnet prioritäre LRTen.

Siehe auch - FFH-Monitoring der Wald-Lebensraumtypen in Bayern: Mehr

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