Hannes Lemme
Mehr Misteln an der Kiefer - Ergebnis des Klimawandels? - LWF-aktuell 72
Im letzten Jahrzehnt häufen sich Beobachtungen des Mistelbefalls sowohl an Laub-Baumarten als auch an Nadelbäumen. Voraussetzung für einen Befall ist eine Schwächung ihrer Wirtspflanze, zum Beispiel der Kiefer. Daher müssen wir bei einem Anstieg der Sommertemperaturen und vermehrten Trockenheitsereignissen mit einer weiteren Zunahme der Mistel an der Kiefer rechnen.
Abbildung: Mistel (Viscum album) auf einer Wald-Kiefer. Foto: Kenraiz, wikipedia
Wenn Samen der Mistel (Viscum album) auf den Zweigen ihrer Wirtspflanzen im Frühjahr zu keimen beginnen, verhält sich der Keimstengel (botanisch: Hypokotyl) auf den ersten Blick seltsam. Der Keimling streckt sich nicht dem Licht entgegen, sondern krümmt sich zur dunklen Wirtsrinde. Die Keimblätter fungieren als Haftscheibe, mit der sich die Mistel auf der Rinde ihres Wirtes festhält. Aus dieser Haftscheibe versucht dann ein Primärsenker, die Rinde des Wirtes zu durchwachsen und Anschluss an sein Kambium zu finden. Ob sich ein Keimling erfolgreich etabliert hat, wird jedoch erst der weitere »Wettlauf« zwischen dem Dickenwachstum des Astes und dem Wachstum der Mistel zeigen.
Mit ihren grünen Blättern ist die Mistel ein Halbparasit. Die Photosynthese betreibt die Mistel selbst. Wasser als auch mineralische Nährsalze entnimmt sie vom Wirt, zum Beispiel der Kiefer. Die Mistel zapft die Wasserleitbahnen der Kiefer an. Gerade bei der Wasserentnahme vom Baum zeigt sich jedoch der Charakter dieser Beziehung.
Die Kiefer ist ein Überlebenskünstler im Umgang mit Wasser. Ihre Nadeln sind mit dicken wasserundurchlässigen Wachsschichten überzogen. Bei Trockenheit kann die Kiefer sehr schnell ihre Stomata (Atemöffnungen der Nadeln) verschließen, über die die Pflanze Kohlendioxid aufnimmt, jedoch auch Wasser verdunstet. Dieser Verdunstungsschutz ermöglicht es der Kiefer, mit dem ihr zur Verfügung stehenden Wasser zu haushalten.
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