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Sonja Teschemacher, Michael Neumayer, Markus Disse und Wolfgang Rieger
Retentionspotenzial von Aufforstungsmaßnahmen in einem voralpinen Einzugsgebiet – LWF Wissen 82

Das Aktionsprogramm 2020plus (StMUV 2014) betrachtet den gesamten Kreislauf des Risikomanagements und umfasst im Bereich des Hochwasserschutzes sowohl Maßnahmen des technischen Hochwasserschutzes als auch des natürlichen Rückhalts. Zum technischen Hochwasserschutz zählen beispielsweise Deiche, Talsperren oder Flutpolder.

Im Gegensatz dazu beinhaltet der natürliche Rückhalt die Stärkung des Retentionspotenzials von Gewässern und Auen, Wald und Landwirtschaft sowie der Siedlungsflächen. Gemeinsam mit Klein(st)rückhaltebecken bilden diese die Bausteine des dezentralen Hochwasserschutzes. Die forstwirtschaftlichen Maßnahmen betreffen in diesem Zusammenhang einerseits Auwaldaufforstungen an Gewässern und in der Aue und andererseits die Stärkung des Rückhalts durch Aufforstungs- und Waldumbaumaßnahmen.

Die nachfolgend vorgestellten Maßnahmen beziehen sich auf voralpine Einzugsgebiete, welche eine variable Topografie mit einem zum Teil sehr steilen Gefälle besitzen. Infolgedessen besteht die Landnutzung überwiegend aus Grünland- und Waldflächen und in flacheren Bereichen vereinzelt Ackernutzung. Mit zunehmender Geländehöhe steigt der Waldanteil deutlich an. Bedingt durch die Topografie und die zunehmende geodätische Höhe werden die Bodenmächtigkeiten geringer und gehen zu flachgründigen A-C-Böden mit anstehendem Fels über. Eine landwirtschaftliche Nutzung ist in diesen Bereichen kaum noch möglich.

Wirkung des Waldes auf die Hochwasserentstehung

Einflussfaktoren

Der Einfluss des Waldes auf die Abflussbildung kann auf die Prozesse Interzeption, Evapotranspiration und Infiltration zurückgeführt werden. Die Interzeption weist grundsätzlich einen begrenzten Speicher auf, der von der Baumart abhängig ist. Während der Interzeptionsspeicher einer unbelaubten Weißbuche bei unter 1 mm liegt, können in den Kronen 90 Jahre alter Fichten bis zu 5 mm Niederschlag zurückgehalten werden (Maniak 2010).

Bei den meisten Baumarten ist der Interzeptionsspeicher nach einer Niederschlagshöhe von ca. 5 mm erschöpft. Die Höhe der Evapotranspirationsrate unterschiedlicher Vegetationsformen ist unter anderem vom Blattflächenindex (LAI) sowie der Wurzeltiefe abhängig. Daher liegt die durchschnittliche jährliche Verdunstung verschiedener Getreidearten um ca. 5 – 15 % unter der Evapotranspiration von Grünland, wohingegen verschiedene Laubbaumarten eine ca. 10 % höhere Rate gegenüber Grünlandstandorten aufweisen (Miegel 2007).

Die Verdunstung von Nadelbaumbeständen erreicht mit dem ca. 1,35-fachen Verdunstungspotenzial des Grünlandes die höchste jährliche Evapotranspiration. Die Infiltrationsfähigkeit eines Bodens hängt stark von dem Vorhandensein und der Mächtigkeit einer humusreichen Bodenauflage ab. Zudem begünstigt eine erhöhte Makroporosität (Wurzeln, Bodenfauna) die Infiltrationsprozesse. Neben der Abflussbildung werden auch Abflusskonzentration und Wellenablauf durch Waldflächen und die damit einhergehende erhöhte Oberflächenrauheit beeinflusst. Beispielsweise mindern ein überflutetes bewachsenes Vorland mit erhöhter Rauheit oder eine durchströmte Aue zumeist den Hochwasserscheitel ab und und führen zu einer zeitlichen Verzögerung in Abhängigkeit der Ereignischarakteristik und Jährlichkeit (Rieger 2012).

Bisherige Untersuchungen

Das DWA-Merkblatt M550 (DWA 2015) bietet eine Übersicht zu bisherigen Untersuchungen zur Wirksamkeit von Aufforstungsmaßnahmen und Gewässerrenaturierungen bei Hochwasserereignissen mit unterschiedlicher Jährlichkeit. Die Scheitelabminderungen in Abhängigkeit von Maßnahme und Ereignis sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Zum Teil weichen die Ergebnisse untereinander stark ab, was auf unterschiedliche Gebiete oder Modellansätze zurückgeführt werden kann. Generell steigt die Wirksamkeit mit zunehmendem Aufforstungsanteil an und sinkt mit ansteigender Ereignisjährlichkeit. Bei realistischen Aufforstungsumfängen ist demnach von einer eher geringen scheitelabmindernden Wirkung auszugehen. Bei Gewässerrenaturierungen ist festzustellen, dass der Auwald eine dominante Rolle hinsichtlich der Wirksamkeit einnimmt. Aus hochwasserschutztechnischer Sicht sollte daher jede Gewässerrenaturierung in Kombination mit einer Auwaldaufforstung umgesetzt werden.

In der sogenannten »Windachstudie« (Rieger 2012) wurde versucht, durch einen weitgehend prozessbasierten Ansatz zur Modellierung dezentraler Hochwasserschutzmaßnahmen die Modellunsicherheiten zu reduzieren und transparente Ergebnisse zu erzielen. Die hierbei ermittelten Scheitelabminderungen für forstliche Maßnahmen im nördlichen Einzugsgebiet der Windach liegen eher im unteren Bereich der im DWA-Merkblatt aufgeführten Wirksamkeiten.
Tabelle 1: Hochwasserscheitelabminderung verschiedener dezentraler Hochwasserschutzmaßnahmen in Abhängigkeit der Ereignisjährlichkeit (nach DWA 2015)
  Scheitelabminderung in %
(Mittelwert; Min. – Max.; Anzahl n der Untersuchungen)
  
 Maßnahme Mittleres Ereignis
(HQ5 – HQ50)
Großes Ereignis
(HQ50 – HQ100)
In der Fläche 2
Min: 1; Max: 3
(n = 2)
2,3
Min: 1; Max: 3,6
(n = 2)
0,8
Min: 0,5; Max: 1
(n = 3)
  21,5
Min: 5; Max: 38
(n = 2)
4

(n = 1)
9,1
Min: 1; Max: 16,4
(n = 3)
 Aufforstung / Waldumbau
(Extremumfang:
> 60 % der EZG-Fläche)
33,5
Min: 21; Max: 46
(n = 2)
24,2
Min: 11,5; Max: 44
(n = 3)
29,8
Min: 12,2; Max: 45
(n = 12)
Am GewässerFließwegverlängerung
(ohne Auwald)
 5,9

(n = 1)
0,5
Min: 0,1; Max: 0,9
(n = 2)
 Fließwegverlängerung
(mit Auwald)
15

(n = 1)
10,2
Min: 6,4; Max: 14
(n = 2)
7,4
Min: 1; Max: 24
(n = 18)

Das Projekt »ProNaHo«

Karte von Bayern mit farblichen Markierungen der Untersuchungsgebiete: die Alpen (dunkelgrün) im Süden, dann das Alpenvorland (hellgrün) mit den Gebiet "Mangfall Valley" und "Glonn Odelzhausen", im Osten Bayern die Östlichen Mittelgebirge mit dem Gebiet "Otterbach Hammermühle" sowie im Norden das Stufenland mit den Untersuchungsgebiet "Main Mainleus"Zoombild vorhanden

Abb. 1: Abbildung 1: Lage der vier Untersuchungsgebiete des ProNaHo-Projekts (Grafik: Sonja Teschemacher)

Im Projekt ProNaHo (»Prozessbasierte Modellierung Natürlicher sowie Dezentraler Hochwasserrückhaltemaßnahmen zur Analyse der ereignis- und gebietsabhängigen Wirksamkeit«, Auftraggeber: Bayerisches Landesamt für Umwelt) sollen die Methoden aus der Windachstudie fortentwickelt und auf weitere Gebiete angewandt werden (Rieger et al. 2017). Ähnlich wie bei der Windachstudie werden forstliche Maßnahmen sowohl in der Fläche als auch am Fließgewässer berücksichtigt.

Als Modellansatz wird der sich in der Windachstudie (Rieger 2012) bewährte Modellansatz aus dem weitgehend physikalisch-basierten Wasserhaushaltsmodell »WaSiM« und dem 2D-hydrodynamisch- numerischen Modell »HYDRO_AS-2D« gewählt. Ziele des Projekts sind neben der Einbindung von Messdaten die Untersuchung der Gebiets- und Skalenabhängigkeit der dezentralen Hochwasserschutzmaßnahmen, um weitgehend allgemeingültige Aussagen für Bayern zu erhalten.

Vor dem Hintergrund einer großen Repräsentanz der unterschiedlichen Gebietscharakteristika in Bayern sowie der gewünschten Skalenvariabilität wurden die Gebiete Main (Mainleus), Mangfall (Valley), Glonn (Odelzhausen) und Otterbach (Hammermühle) ausgewählt (Abbildung 1). Die Auswahlkriterien waren dabei unter anderem die Pegelverfügbarkeit, der Messzeitraum, die Gebietsgröße, die Modellierbarkeit und die Abdeckung der Naturräume in Bayern.

Einzugsgebiet der Mangfall

Landnutzungsverteilung des Mangfall-Einzugsgebiets mit Umrandungen der analysierten ModelleZoombild vorhanden

Abb. 2: Landnutzungsverteilung des Mangfall-Einzugsgebiets mit Umrandungen der analysierten Modelle (Grafik: Sonja Teschemacher)

Nachfolgend werden hieraus Modellierungen für das voralpine Einzugsgebiet der Mangfall (Valley) vorgestellt. Das Gebiet besitzt eine Gebietsfläche von 381,7 Km² und einen sehr großen Waldanteil von ca. 58 %. Die hydrologische Modellierung wurde für das gesamte Einzugsgebiet durchgeführt, wobei zusätzlich das Teilgebiet Rottach südlich des Tegernsees separat untersucht wurde (Abbildung 2).

Das Gesamtgebiet hat im Norden einen hohen Grünlandanteil mit niedrigem Geländegefälle, wodurch potenzielle Aufforstungsflächen mit großem Retentionspotenzial vorhanden sind. Das Teilgebiet Rottach hat dagegen bereits einen hohen Waldanteil und damit geringere Aufforstungsmöglichkeiten, die zudem im Bereich der flachgründigen A-C-Böden liegen. Das hydraulische Modell umfasst den Flusslauf der Mangfall beginnend mit dem Auslauf des Tegernsees bis unterhalb des Zusammenflusses mit der Schlierach, welche ebenfalls zum Teil durch das Modell abgebildet wird.

Für die Renaturierungs- und Auengestaltungsmaßnahmen wurde ein ca. 9 km langer Teilabschnitt der Mangfall zwischen Tegernsee und dem Zufluss der Schlierach ausgewählt. Dieser Teilabschnitt weist deutliche anthropogene Eingriffe in die Sohl- und Uferstruktur der Mangfall auf (LfU 2016). Der Flussabschnitt kann unter anderem durch Berücksichtigung der Großlandschaft, des Sohlgefälles und des Sohlsubstrats dem Fließgewässertyp »Kleine Flüsse der Jungmoräne des Alpenvorlandes « nach Pottgiesser und Sommerhäuser (2008) zugeordnet werden.

Hydrologische Modellierung

Die Modellierung der Aufforstungsmaßnahmen in der Fläche wurde mit dem hydrologischen Modell WaSiM durchgeführt. Durch das rasterbasierte Modellkonzept können einer Fläche bestimmte Landnutzungsformen bzw. Bodentypen zugeordnet werden. Die Parametrisierung der Landnutzung und damit auch der aufgeforsteten Flächen erfolgt über Pflanzenparameter wie beispielsweise Pflanzenhöhe, Wurzeltiefe, Blattflächenindex oder Bedeckungsgrad. Diese Parameter beeinflussen die Berechnung von Interzeption und Verdunstung. Der Bodenaufbau wird in einzelnen Schichten beschrieben, wodurch tiefenabhängig Parameter wie der organische Anteil, die gesättigte Leitfähigkeit oder das Speicherverhalten definiert werden können. Zudem können Eigenschaften von Makroporen angegeben werden.

Das Gebiet wurde anhand der vorhandenen Abflusspegel kalibriert und validiert. Um die Wirksamkeit der Maßnahmen bei Ereignissen mit einer bestimmten Jährlichkeit untersuchen zu können, wurden aus charakteristischen Niederschlagsverteilungen drei advektive Ereignisse und zwei konvektive Ereignisse generiert. Die Dauern und Intensitäten der Niederschlagsereignisse wurden so skaliert, dass sie an den jeweiligen (Teil-)Gebietspegeln einem HQ5, HQ20 und HQ100 entsprechen. HQ bezeichnet den Hochwasserscheitelabfluss, die tiefgestellte Zahl die Jährlichkeit. Beispiel: HQ100 ist das hundertjährliche Hochwasser (Abfluss des Hochwasserscheitels, der im statistischen Mittel nur einmal in 100 Jahren erreicht oder überschritten wird).

Die Aufforstung wurde durch eine schrittweise Erhöhung der Waldfläche um einen definierten Prozentsatz umgesetzt. Die Flächen wurden dabei so gewählt, dass sie einerseits an bisherige Waldflächen angrenzen und andererseits bezogen auf Schätzungskarten geringe Ertragserwartungen aufweisen. Die Parametrisierung der Aufforstungsmaßnahmen im Modell erfolgt durch eine Veränderung der Landnutzung und des Bodens. Die Anpassung der Landnutzungsparameter führt dabei beispielsweise zu einer Erhöhung des Blattflächenindex oder zu einer größeren Wurzeltiefe und hat damit einen Einfluss auf die Interzeption und die Verdunstung. Die Veränderungen der Bodenparametrisierung beinhalten einen veränderten Bodenaufbau durch die Ergänzung der organischen Auflage. Zudem werden die Makroporen tiefer definiert und besitzen somit eine erhöhte Kapazität. Der beeinflusste hydrologische Prozess ist bei diesen Veränderungen die Infiltration.
Graphen die Wasserablauf darstellenZoombild vorhanden

Abb. 3: Verlauf der Scheitelabminderung bei zunehmendem Waldanteil für fünf verschiedene Hochwasserereignisse (Grafik: Sonja Teschemacher)

Der Verlauf der Hochwasserscheitelabminderung mit zunehmendem Waldanteil ist bei konvektiven und advektiven Ereignissen jeweils ähnlich, wobei die Unterschiede zwischen den zwei Ereignistypen mit zunehmendem Waldanteil größer werden und die Wirksamkeit bei advektiven Ereignissen geringer ist (Abbildung 3). Die mittlere Scheitelabminderung je 10 % Aufforstung liegt im Gesamtgebiet bei ca. 2,4 % für advektive bzw. 3,0 % für konvektive Ereignisse und zeigt damit eine deutliche Abhängigkeit von der Ereignischarakteristik, wohingegen die Jährlichkeit nur einen geringfügigen Einfluss hat.

Im Teilgebiet Rottach liegt die mittlere Scheitelabminderung beim konvektiven HQ5 mit 2,8 % je 10 % Aufforstung in einem ähnlichen Bereich wie im Gesamtgebiet. Sie liegt damit deutlich über der mittleren Scheitelabminderung von 1,5 % je 10 % Aufforstung bei den advektiven Ereignissen in diesem Teilgebiet. Die damit geringere Wirksamkeit der Aufforstungen im Teilgebiet Rottach gegenüber dem Gesamtgebiet verdeutlicht die gebietsabhängige Wirksamkeit dieser Maßnahme. Im Gegensatz zu den anderen Ereignissen nimmt die Hochwasserscheitelabminderung beim konvektiven HQ20 im Teilgebiet Rottach ab einem bestimmten Waldanteil nur noch geringfügig zu.

Dieses Beispiel zeigt, dass der Verlauf sowie die absolute Höhe der Wirksamkeit einer Aufforstungsmaßnahme neben der Größe der Flächen auch von deren Charakteristik sowie der Kombination aus Niederschlagsintensität und -dauer abhängt und damit nur bedingt vorhergesagt werden kann.

Hydraulische Modellierung

Zusätzlich zu den im hydrologischen Modell umgesetzten Maßnahmen der Aufforstung werden die Auswirkungen einer Renaturierung der Mangfall in Kombination mit dem Auftreten einer ausgebildeten Auenvegetation auf den Ablauf von Hochwasserwellen mit Hilfe des zweidimensionalen hydrodynamisch-numerischen Modells HYDRO_AS-2D untersucht. Dazu wird HYDRO_AS-2D mit dem Wasserhaushaltsmodell WaSiM gekoppelt. Die in WaSiM generierten Hochwasserereignisse (advektiv: HQ5, HQ20, HQ100; konvektiv: HQ5, HQ20) dienen dabei als Eingangsdaten für die Untersuchungen im hydraulischen Modell.

Der zu modellierende renaturierte Zustand der Mangfall entspricht dem potenziell natürlichen Zustand des betrachteten Fließgewässers und der zugehörigen Auenlandschaft. Um die Renaturierungs- und Auengestaltungsmaßnahmen im hydraulischen Modell möglichst realitätsnah und natürlich umzusetzen, werden diese entsprechend des nach Pottgiesser und Sommerhäuser (2008) bestimmten Leitbilds durchgeführt. Des Weiteren bilden die zugehörigen hydromorphologischen Steckbriefe nach Dahm et al. (2014) und Briem et al. (2002) eine wichtige Grundlage zur naturnahen Umsetzung der modelltechnischen Renaturierungsmaßnahmen. Diese umfassen sowohl eine Anpassung des Fließweges mit zugehörigen Querprofilen als auch die Berücksichtigung eines natürlichen Auwalds im Modell.

Der im hydraulischen Modell neu entwickelte renaturierte Fließweg der Mangfall weist im Vergleich zum heutigen Ausbauzustand einen höheren Mäandrierungsgrad auf (Windungsgrad Ist = 1,09; Windungsgrad Renat = 1,29). Somit konnte eine Fließwegverlängerung (Lauflänge Ist = 9,1 km; Lauflänge Renat = 10,8 km) mit dadurch implizierter Verringerung des Sohlgefälles (Gefälle Ist = 7,7 ‰; Gefälle Renat = 6,3 ‰) erreicht werden.

Die vorherrschende Querprofilgeometrie hat neben dem Gewässerverlauf einen wesentlichen Einfluss auf das Ausuferungsverhalten und somit auch auf die Wirksamkeit des Retentionspotenzials der Flussaue. Deshalb wurden beim Entwickeln der Querprofile für den renaturierten Zustand der Mangfall wiederum die spezifischen Charakteristika des vorliegenden Leitbildes mit den zugehörigen Steckbriefen berücksichtigt. Die erstellten Profile sind durch Tiefenvariation und ausgeprägte Prall- und Gleithänge gekennzeichnet. Nach der Einarbeitung des renaturierten Flussschlauchs in das hydraulische Modell wurde die Rauheit in der Aue entsprechend eines voll ausgebildeten Auwalds definiert. Um belastbare Ergebnisse der Wirksamkeit der durchgeführten Renaturierungsmaßnahmen zu erhalten, wurde der Ist-Zustand sowohl mit, als auch ohne die in Realität vorhandene Eindeichung modelliert.
Simulation einer Mangfall-Renaturierung. Bei Renaturierung würde weniger Fläche überflutet werden.Zoombild vorhanden

Abb. 4: Überflutungsflächen während der advektiven Hochwasserereignisse HQ5 und HQ100 für die Modellszenarien »Ist-Zustand ohne Eindeichung« und »renaturiert« (Grafik: Michael Neumayer)

Abbildung 4 zeigt einen Abschnitt der hydraulischen Modelle des Ist-Zustands ohne Eindeichung und des renaturierten Szenarios mit den ermittelten Überflutungsflächen für die beiden advektiven Hochwasserereignisse HQ5 und HQ100. Hierbei fällt auf, dass die relativen Unterschiede der Überflutungsflächen eines hundertjährlichen Hochwassers deutlich geringer ausfallen (A[HQ100, Ist] = 112 ha; A[HQ100, Renat] = 195 ha) als im Falle des fünfjährlichen Ereignisses (A[HQ5, Ist] = 53 ha; A[HQ5, Renat] = 130 ha).

Grund für die knapp 2,5-mal größere Überflutungsfläche beim HQ5 im renaturierten Szenario sind die umgesetzten Renaturierungsmaßnahmen, welche eine frühe Ausuferung des Fließgewässers in die Aue begünstigen. Bei der Analyse der Ganglinien der fünf untersuchten Hochwasserereignisse in Kombination mit den drei Ausbauszenarien »Ist-Zustand mit Eindeichung«, »Ist-Zustand ohne Eindeichung« und »renaturierter Zustand« kann nahezu keine Scheitelabminderung festgestellt werden.

Allerdings konnte eine zeitliche Scheitelverzögerung von bis zu drei Stunden beim Vergleich des renaturierten Szenarios mit dem Ist-Zustand (mit Eindeichung) im Falle des fünfjährlichen advektiven Hochwasserereignisses erreicht werden. Die sehr geringen Scheitelabminderungen sind mit großer Wahrscheinlichkeit auf das relativ steile Sohlgefälle von mehr als 6 ‰ in Kombination mit einem hohen Vorlandgefälle von ca. 8,5 ‰ zurückzuführen. Des Weiteren besteht bereits im Ist-Zustand ein Großteil des Vorlandes im Untersuchungsgebiet aus Wald, weshalb nur ca. 20 % der maximal auftretenden Überflutungsfläche von einer Aufforstung im Rahmen der Auengestaltungsmaßnahmen betroffen waren.

Fazit und Ausblick

In der Windachstudie und dem Projekt ProNaHo konnte ein geeigneter Modellierungsansatz zur Simulation der forstlichen Maßnahmen und deren Einflüsse auf den Niederschlag-Abfluss-Prozess entwickelt werden. Dieser besteht aus einer gekoppelten Anwendung des Wasserhaushaltsmodells WaSiM und dem hydrodynamisch- numerischen Modell HYDRO_AS-2D.

Wie auch in bisherigen Untersuchungen zur Wirksamkeit von Aufforstungsmaßnahmen zeigt sich bei den Analysen im Untersuchungsgebiet der Mangfall eine vergleichsweise große Bandbreite potenzieller Hochwasserscheitelabminderungen (10 % Aufforstung: 1 – 4,2 %; 30 % Aufforstung: 4,7 – 11 %). Die Unterschiede lassen sich überwiegend durch die Ereignischarakteristik (advektiv, konvektiv) und die Gebietseigenschaften (Gesamtgebiet, Teilgebiet Rottach) erklären. Insbesondere im Bereich der advektiven Ereignisse ist der Einfluss der Jährlichkeit auf die Scheitelabminderung gering. Der große Unterschied der Scheitelabminderungszunahme des konvektiven HQ20 im Teilgebiet Rottach im Vergleich zu den anderen Ereignissen verdeutlicht die komplexen Zusammenhänge der potenziellen Scheitelabminderung mit der Niederschlagsintensität und -dauer sowie den Eigenschaften und der Größe der Aufforstungsflächen.

Um die Wirkungsweise der Einflussfaktoren auf die potenzielle Scheitelabminderung sowie deren Zusammenhänge besser beschreiben zu können, sind weitere Analysen notwendig. Diese sollten einerseits die Veränderungen der Abflusskomponenten beinhalten, andererseits die Eigenschaften der Aufforstungsflächen und die durch die Aufforstung auftretenden Änderungen der Bodenphysik. Zudem sollten für die Bestimmung der Gebiets- und Skalenabhängigkeit weitere Untersuchungsgebiete und zusätzliche Teilgebiete berücksichtigt werden.

Bei den Renaturierungs- und Auengestaltungsmaßnahmen kann für alle Hochwasserereignisse eine zeitliche Verzögerung der Hochwasserganglinie der renaturierten Modelle im Vergleich zu den Ist-Zustandsmodellen am Gebietsauslass festgestellt werden. Diese erreicht im Falle des advektiven 5-jährlichen Ereignisses mit einer 3-stündigen Translation ihr Maximum. Allerdings zeigen die Renaturierungs- und Auengestaltungsszenarien ereignis- und ausbauszenarioübergreifend nahezu keine Scheitelabminderung. Diese sehr geringen Wirksamkeiten sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das steile Sohl- und Gebietsgefälle zurückzuführen, was sich mit den Untersuchungen nach Bauer (2004) und Marenbach (2002) deckt. Zudem setzt sich bereits im heutigen Ausbauzustand ein Großteil der ermittelten Überflutungsflächen aus den Landnutzungskategorien »Gehölz« und »Wald« zusammen, wodurch große Anteile des Vorlandes durch die modelltechnisch umgesetzten Aufforstungsmaßnahmen nicht oder nur geringfügig verändert werden.

Schließlich sind die renaturierten Strecken mit ca. 10 km Länge zu kurz, um deutliche Veränderungen im Wellenablauf erzielen zu können. Um den gebietsabhängigen Einfluss von Renaturierungs- und Auengestaltungsmaßnahmen auf die Abminderung von Hochwasserscheiteln zuverlässig zu bestimmen, ist es notwendig, die Maßnahmen in weiteren Untersuchungsgebieten mit abweichenden Charakteristiken, wie zum Beispiel die Landnutzungsverteilung im Überflutungsbereich oder das Sohl- und Gebietsgefälle, zu analysieren.

Zusammenfassung

Aufforstungs- und Waldumbaumaßnahmen können wichtige Bestandteile eines integralen Hochwasserschutzkonzepts sein, das sich aus technischem und natürlichem Hochwasserschutz zusammensetzt. Die forstwirtschaftlichen Maßnahmen beeinflussen durch eine Veränderung der Interzeption, der Evapotranspiration, der Infiltration und der Rauheit die Prozesse Abflussbildung, -konzentration und -routing und wirken damit als dezentraler Hochwasserrückhalt.

Aufgrund unterschiedlicher Untersuchungsgebiete und verwendeter Modellansätze weichen die in bisherigen Studien durch Aufforstungs- und Waldumbaumaßnahmen ermittelten Hochwasserscheitelabminderungen zum Teil stark voneinander ab. Im Projekt ProNaHo wird die ereignis- und gebietsabhängige Wirksamkeit verschiedener natürlicher und dezentraler Maßnahmen mit einem weitgehend physikalisch basierten Modellansatz, bestehend aus dem hydrologischen Modell WaSiM und dem hydraulischen Modell HYDRO_AS-2D, untersucht.

Eines der Untersuchungsgebiete ist das voralpine Einzugsgebiet der Mangfall. Die modelltechnisch umgesetzten Aufforstungs- und Renaturierungs- bzw. Auengestaltungsmaßnahmen wurden für fünf Hochwasserereignisse mit verschiedenen Charakteristika und Jährlichkeiten untersucht. Die dabei ermittelte Hochwasserscheitelabminderung ist stark von der Ereignischarakteristik (advektiv, konvektiv) und den Gebietseigenschaften abhängig. Der Einfluss der Jährlichkeit ist dagegen geringer.

Die Renaturierungs- und Auengestaltungsmaßnahmen führen bei allen Ereignissen zu einer deutlichen Zunahme der Überschwemmungsflächen. Während eine zeitliche Verzögerung des Abflussscheitels festgestellt werden kann, ist die an der Mangfall erreichbare Scheitelabminderung vernachlässigbar klein.

Danksagung

Die Untersuchungen erfolgten innerhalb des ProNaHo- Forschungsvorhabens, das im Auftrag des Bayerischen Landesamtes für Umwelt durchgeführt wird.

Literatur

  • Bauer, C. (2004): Bestimmung der Retentionspotentiale naturnaher Maßnahmen in Gewässer und Aue mit hydraulischen Methoden. Endbericht, Kasseler Wasserbau-Mitteilungen, Heft 16
  • Briem, E.; Jüring, P.; Magelsdorf, J. (2002): Fließgewässerlandschaften in Bayern. Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft (Hrsg.). Fließgewässerlandschaften in Bayern. München: Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft
  • Dahm, V.; Kupilas, B.; Rolauffs, P.; Hering, D.; Haase, P.; Kappes, H.; Leps, M.; Sundermann, A.; Döbbelt-Grüne, S.; Hartmann, C.; Koenzen, U.; Reuvers, C.; Zellmer, U.; Zins, C.; Wagner, F. (2014): Hydromorphologische Steckbriefe der deutschen Fließgewässertypen; Forschungskennzahl 3710 24 207, UBA-FB 001936/ Anh. 1
  • DWA (2015): DWA-M 550: Dezentrale Maßnahmen zur Hochwasserminderung, Hennef
  • LDBV (2008 – 2014): Bayerisches Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung: Tatsächliche Nutzung der Erdoberfläche: Bestandteil des ALKIS im Maßstab 1:1000. München
  • LfU (2010): Bayerisches Landesamt für Umwelt: Naturräumliche Gliederung Bayerns. Augsburg
  • LfU – Bayer. Landesamt für Umwelt (2016): Gewässerstrukturkartierung. Vorläufiger Datenstand 2016
  • Maniak, U. (2010): Hydrologie und Wasserwirtschaft. Eine Einführung für Ingenieure. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag Berlin Heidelberg
  • Marenbach, B. (2002): Der Beitrag naturnaher Retentionsmaßnahmen in den Talauen zur Hochwasserdämpfung. Dissertation, Mitteilung des Fachgebiets Wasserbau und Wasserwirtschaft der Universität Kaiserslautern
  • Miegel, K.; Seidler, C.; Frahm, E; Zachow, B. (2007): Verdunstungsprozess und Einflussgrößen. In: Fachgemeinschaft Hydrologische Wissenschaften in der DWA (Hrsg.): Verdunstung. Beiträge zum Seminar Verdunstung am 10./11. Oktober 2007 in Potsdam, Bd. 21.07. Unter Mitarbeit von Konrad Miegel und Hans-B. Kleeberg. Hennef, S. 5–36
  • Pottgiesser, T.; Sommerhäuser, M. (2008): Aktualisierung der Steckbriefe der bundesdeutschen Fließgewässertypen. Umweltbundesamt und Bund/Länder Arbeitsgemeinschaft Wasser; Förderkennzeichen 360 15 007
  • Rieger, W. (2012): Prozessorientierte Modellierung dezentraler Hochwasserschutzmaßnahmen. Dissertation. Universität der Bundeswehr München, München. Institut für Wasserwesen
  • Rieger, W.; Teschemacher, S.; Haas, S.; Springer, J.; Disse, M. (2017): Multikriterielle Wirksamkeitsanalysen zum dezentralen Hochwasserschutz. In: Wasserwirtschaft 107 (11), S. 56–60
  • StMUV – Bayer. Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (2014): Hochwasserschutz. Aktionsprogramm 2020plus. Bayerns Schutzsstrategie: Ausweiten, Intensivieren, Beschleunigen. München: StMUV

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