Lothar Zimmermann, Stephan Raspe, Hans-Peter Dietrich und Alexandra Wauer
Dürreperioden und ihre Wirkung auf Wälder – LWF aktuell 126
Regelmäßige Erhebungen an den Standorten des forstlichen Umweltmonitorings dokumentieren trockenheitsbedingte Veränderungen
Der Begriff »Dürre« wird je nach Profession doch etwas unterschiedlich interpretiert. Auch in der Forstwirtschaft sorgt das für Missverständnisse. Wir versuchen, die verschiedenen Dürrebegriffe wie auch Dürreindices ohne Anspruch auf Vollständigkeit vorzustellen und ihre Unterschiede zu vermitteln. Im folgenden wird der Frage nachgegangen, wie stark die Dürren der letzten Jahre waren und welche Folgen für Bodenwasserhaushalt und Gesundheit der Wälder dokumentiert sind. Viele Fragen nach den Auswirkungen lassen sich mit Hilfe des forstlichen Monitorings beantworten, beispielsweise: Wie entwickelte sich die Baumvitalität? Welche Schäden an Blattorganen waren zu erkennen? Wieviel Laub fiel schon vorzeitig ab oder starben Bäume sogar ab?
Gemeinhin werden die Begriffe Dürre, Trockenheit und Wassermangel synonym verwendet. Und doch haben wir heuer gerade im April erlebt, dass zum einen in den Medien schon von einer extremen Dürre bis in 1,8 m Bodentiefe in Südostbayern gesprochen wurde, während der Deutsche Wetterdienst für diese Region bei seinen regelmäßigen Modellierungen der Bodenfeuchte für landwirtschaftliche Böden bis 60 cm Tiefe noch keine problematische Wasserversorgung erkennen konnte. Auch die Modellierung an der Waldklimastation Altötting zeigte, dass der Trockenstressbereich, den man näherungsweise bei einer Unterschreitung von 40 % der nutzbaren Feldkapazität ansetzt, noch lange nicht erreicht war. Wie ist das möglich?
Dürre: Wer versteht was darunter?
In der Wissenschaft wird der Begriff Dürre unterschiedlich definiert, je nachdem aus welcher fachlichen »Ecke« der Wassermangel betrachtet wird. Für die Meteorologen hängt Dürre davon ab, wie selten eine längere Niederschlagsarmut in der klimatologischen Geschichte einer Region oder eines Orts aufgetreten ist, unabhängig davon, ob das Wasserangebot für Pflanzen ausreicht.
Die Hydrologen haben dagegen den Abfluss in den Fließgewässern fest im Blick, beispielsweise welcher Niedrigstwasserstand an einem bestimmten Pegel noch nicht erreicht wurde oder wie lange eine Niedrigwasserperiode schon andauert. Hydrogeologen interessiert, welche Niedrigstwasserstände an ihren Grundwasserpegeln erreicht werden und wie wenig Wasser aus den Quellen kommt, wenn überhaupt noch etwas herauströpfelt.
Die Land- und Forstwirte bewegt dagegen die Sorge, wieviel Wasser für die Pflanzen noch in den Böden vorhanden ist und wie lange die Bäume den Trockenstress noch aushalten. Im Zentrum steht also die Frage, wie sich die Trockenheit auf die Pflanzen auswirkt. Schließlich existiert noch die für alle wirtschaftlich Tätigen wichtige sozioökonomische Sichtweise. Sie stellen sich die Frage, zu welchen (monetären) Schäden die Trockenheit bzw. ein vorzeitiger Ausfall der Pflanzen führt.
In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit dem wirkungsbezogenen Dürrebegriff, der Waldbesitzern und Förstern ebenso wie Landwirten und Gartenbesitzern unmittelbar Sorge bereitet. Insbesondere gehen wir der Frage nach, wie intensiv die Trockenheit in den letzten Jahren war und wie sie sich auf die Wälder auswirkte.
Niederschlagsdefizit, Dürreindices und Klimatische Wasserbilanz
Einen Eindruck, wie wenig Niederschlag bspw. im Winterhalbjahr 2019/20 (1.11.2019-30.4.2020) gefallen ist, gibt zunächst die prozentuale Abweichung vom langjährigen Mittel. In Nordbayern sind 86 % des langjährigen Niederschlags gefallen, während es in Südbayern nur 81 % waren. Leidet Südbayern nun stärker unter dem Niederschlagsdefizit? Nein, denn wir wissen, in Bayern nehmen die Niederschläge von Norden nach Süden deutlich zu. Entscheidend für die Vegetation ist immer, wieviel absolut als Menge gefallen ist. So waren absolut in Nordbayern 334 l/m², in Südbayern dagegen 364 l/m² gefallen (www.nid.bayern.de/lage).
Standardisierter Niederschlagsindex« (SPI)
Um Monate mit Niederschlagsdefiziten statistisch einordnen zu können, wird der »Standardisierte Niederschlagsindex« (SPI) als Dürreindex verwendet. In einer langen Zeitreihe werden bspw. für eine Station für jeden Monat Häufigkeitsverteilungen der Niederschläge gebildet. Dann wird die Häufigkeit der fraglichen monatlichen Niederschlagssumme in eine Eintrittswahrscheinlichkeit umgewandelt, die durch den SPI angegeben wird.
Beim SPI werden acht Klassen angegeben, von »Extrem zu feucht« bis »Extreme Dürre«. Letztere gilt bei unterdurchschnittlichem Niederschlag ab einer Wahrscheinlichkeit von <= 2,3 %, was einem SPI von <= –2,0 entspricht (www.dwd.de/DE/leistungen/spi/spi.html). Die Berücksichtigung unterschiedlich langer Zeiträume liefert Hinweise auf landwirtschaftlich relevante Dürren (Zeitraum ≤ 6 Monate) oder hydrologisch relevante Dürren (Zeitraum > 6 Monate). Als Dürre wird hier die Andauer einer negativen SPI-Periode bezeichnet, in welcher der SPI den Wert –1 erreicht bzw. unterschreitet.
Klimatische Wasserbilanz (KWB)
Für die Vegetation ist aber auch entscheidend, zu welcher Jahreszeit und bei welcher Witterung der Niederschlag fällt. In einem trockenen Winterhalbjahr leidet vor allem die fehlende Erneuerung der Grundwasservorkommen (Raspe et al. 2020), während sich die Vegetation noch in der Winterruhe befindet und nur einen geringen Wasserbedarf aufweist.
Die potenzielle Verdunstung beschreibt den atmosphärischen Verdunstungsanspruch aus meteorologischen Größen und nimmt noch eine standardisierte Landnutzung, meist Gras, hinzu. Aus der Differenz Niederschlag minus potenzielle Verdunstung wird dann die sog. Klimatische Wasserbilanz (KWB) berechnet. Hier wird angenommen, dass die potenzielle der tatsächlichen Verdunstung entspricht, was nur am Anfang stimmt, da aus schon trockenen Böden nichts oder nur noch wenig verdunsten kann.
In Trockensommern ist daher die tatsächliche Verdunstung deutlich niedriger als die potenzielle. Die KWB stellt somit einen »Worst Case« dar. Analog zum methodischen Vorgehen beim SPI gibt es bei der KWB noch den »Standardized Precipitation Evapotraspiration Index« (SPEI).
Wasserhaushaltsmodelle
Bei der KWB ist anzumerken, dass Einflüsse einer unterschiedlichen Landnutzung auf die Verdunstung nicht berücksichtigt werden. So fehlt bei der Landnutzungsform Wald bspw. die wichtige Komponente der Interzeption. Deutlich besser ist es, wenn der Boden sowie die tatsächlichen Prozesse bei der Verdunstung berücksichtigt werden.
Dazu bedient man sich am besten deterministischer Wasserhaushaltsmodelle wie dem LWFBROOK90 (Weis et al. 2020). Mit einer zeitlich höher aufgelösten Modellierung kann der Grad der Füllung des für die Bäume verfügbaren Anteils des Bodenwassers (»nutzbare Feldkapazität«) in seiner zeitlichen Dynamik ermittelt werden (Raspe et al. 2020).
Außerdem können Trockenheitsindikatoren wie das Transpirationsdefizit (Tdiff) berechnet werden. Dabei gibt Tdiff an, wie stark die Transpiration in einem Zeitraum eingeschränkt war und kann direkt mit der fehlenden Wassermenge in Beziehung gesetzt werden. Die KWB hat aufgrund ihrer einfachen Berechnung aber ihre Berechtigung, um Wasserknappheit flächig darzustellen und so regional differenziert den klimatischen Vergleich zwischen mehreren Trockenjahren zu ermöglichen.
Dürre in Bayern
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Abb. 1: Klimatische Wasserbilanz für die Monate der forstlichen Vegetationsperiode Mai-September (Grafik: LWF)
Die Klimatische Wasserbilanz ist als Synthese aus Niederschlag und atmosphärischem Verdunstungsanspruch zu verstehen. Letzterer Wert ergibt sich aus dem Sättigungsdefizit der Luft, der solaren Zustrahlung sowie dem Wind (siehe Kasten) und eignet sich zur Einordnung der Trockenheitsreaktion im Vergleich zum langjährigen Mittel. Wir vergleichen die Summe der Klimatischen Wasserbilanz für die forstlichen Vegetationsperiode (Mai–September) in den Extremjahren 2003, 2015, 2018 und 2019 mit dem 25jährigen Mittel.
Um die regionalen Unterschiede in Bayern deutlich zu machen, werden die Ergebnisse auf Regierungsbezirkebene dargestellt. Die nördlichen Bezirke, Franken und die Oberpfalz, weisen bereits im langjährigen Mittel eine leicht negative Wasserbilanz auf, dort sind deutliche Reaktionen in den Extremjahren zu erkennen. In südlichen Bezirken ist nur 2003 und 2018 die Wasserbilanz deutlich negativ. Für Bayern betrachtet zeigt sich 2018 ein etwas stärkerer potenzieller Trockenheitsstress in der forstlichen Vegetationsperiode als 2003 (Abbildung 1).
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Abb. 2: »Trockentage« an 18 Waldklimastationen für das langjährige Mittel 1961–90 sowie für die Extremjahre 2003, 2015, 2018 und 2019 (Grafik: LWF)
Wesentlich ortsgenauer läßt sich die Situation an den 18 Waldklimastationen belegen, gestützt auf Bodenfeuchtemessungen und spezifische Modellierungen mit dem Wasserhaushaltsmodell LWFBROOK90. Verglichen werden die Hitze- und Trockenjahre 2003, 2015, 2018 und 2019 mit dem langjährigen Mittel 1961–90 (Abbildung 2).
Als Trockentag bezeichnen wir einen Tag, an dem die Bodenfeuchte unter den Grenzwert für beginnenden Trockenstress sinkt, d.h. 40 % der nutzbaren Feldkapazität unterschritten werden. An allen Waldklimastationen (WKS) im Nordwesten Bayerns wurden zahlreiche Trockentage in jedem aufgeführten Extremjahr gemessen. Die tiefer gelegenen Waldklimastationen im Nordwesten wie Würzburg (WUE) auf der Mainfränkischen Platte, aber auch Ebrach (EBR) am Rand des Steigerwalds sowie Dinkelsbühl (DIN) im westlichen Mittelfranken und Riedenburg (RIE) im Jura weisen auch im langjährigen Mittel schon eine erhöhte Anzahl Trockentage auf.
In den höheren Lagen von Spessart (WKS Rothenbuch ROT) und Rhön (WKS Bad Brückenau BBR) ist die Anzahl im langjährigen Mittel deutlich niedriger, dafür reagieren sie aber in jedem Trockenjahr deutlich. Richtung Nordosten im Frankenwald (WKS Rothenkirchen ROK) bzw. dem Fichtelgebirge (WKS Goldkronach GOL) ist nur in einzelnen Trockenjahren eine Trockenheitsreaktion zu erkennen, ebenso im Tertiärhügelland (WKS Freising FRE, WKS Höglwald HOE, WKS Altötting AOE) und auf der Münchener Schotterebene (WKS Ebersberg EBE). An den drei alpinen Waldklimastationen wie auch im Bayerischen Wald (WKS Mitterfels MIT) trat bisher kein Trockenstress auf.
Das forstliche Umweltmonitoring ist zweistufig aufgebaut. Die jährliche Waldzustandserhebung (WZE) begutachtet den Gesundheitszustand der Bäume visuell an derzeit 314 Inventurpunkten in Bayern (»Level 1«). Diese flächenrepräsentative Aufnahme liefert seit 1983 statistisch gesicherte Daten zum Waldzustand. Das intensive forstliche Umweltmonitoring (»Level 2«) an den Waldklimastationen ergänzt diese landesweiten Erhebungen. In charakteristischen Waldregionen werden Umweltbelastungen und ihre Wirkungen kontinuierlich erfasst und bewertet. Langjährige Meßreihen zu Zustandsgrößen in den Waldökosystemen liegen seit annähernd dreißig Jahren vor (Dietrich et al. 2018).
Beobachtungen aus der WZE
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Abb. 3: Nadel-/Blattverlust-Änderung im Vergleich zur Klimatischen Wasserbilanz (Grafik: LWF)
Die Ergebnisse der Waldzustandserhebung (WZE) 2019 spiegeln die »Heißzeit « und Trockenheit von April bis November des Vorjahres 2018 sowie die Hitzewellen im Juni bis Juli 2019 wider. Mittel- und Unterfranken kristallisierten sich als Schadensschwerpunkte heraus (Abbildung 3).
Dort sind die Nadel-/ Blattverluste besonders hoch, vor allem bei der Kiefer (Wauer & Klemmt 2020). Vergleicht man die Nadel-/Blattverluste (NBV) aller Baumarten aus der WZE 2019 mit der Klimatischen Wasserbilanz für den Zeitraum April 2018 bis Juli 2019, häufen sich die Punkte mit höheren Nadel-/ Blattverlusten in Gebieten mit hoher negativer klimatischen Wasserbilanz.
Gleichzeitig befinden sich in diesen Gebieten auch Punkte mit einem geringerem Nadel-/Blattverlust als im Vorjahr. Mit Hilfe standort- und bestandesspezifischer Wasserhaushaltsmodellierungen (Weis et al. 2020) lassen sich solche Anomalien besser erfassen und klären.
Nadel-/Blattverluste
Die WZE-Datenerhebung findet im Juli nach vollständiger Blattentfaltung statt. Aus diesem Grund kann sie die Folgen eines trockenen Spätsommers im selben Jahr naturbedingt nicht erfassen. Deshalb wurden nach dem Hitzesommer 2015 einige bayernweit ausgewählte Inventurpunkte zu einem späteren Zeitpunkt nochmals angesprochen.
An 30 Trakten mit insgesamt 996 Bäumen nahm der mittlere Nadel-/Blattverlust in diesem Zeitraum um ein Fünftel zu, von 23,8 % auf 28,5 %. Die stärkste Veränderung zeigte die Kiefer (+3,7 %), gefolgt von der Buche (+3,0 %). Bei Eiche (+1,5 %) und Fichte (+1,3 %) war ein nur gering erhöhter Blatt- bzw. Nadelverlust zu beobachten. Fasst man die Stichprobe nach Laub- und Nadelbäume zusammen, lagen die Laubbäume mit einer NBV-Zunahme um +7,8 % deutlich vor den Nadelbäumen (+1,9 %) in der Herbstansprache.
Mortalitätsrate
Da sich Nutzung und natürlicher Abgang bei der Aufnahme vor Ort nicht immer sicher unterscheiden lassen, wird natürliche Mortalität bei der WZE in der Regel unterschätzt. Die Mortalitätsrate (Abbildung 4) kann daher nur näherungsweise berechnet werden.
Bei den flächenrepräsentativen Waldzustandserhebungen 2014 bis 2019 bewegte sich der Anteil abgestorbener Fichten insgesamt zwischen 1,0 bis 2,5 %. Der Anteil der Nutzung lag bei 2,3 bis 3,3 %. Nach den Trockenjahren 2015 und 2018 erhöhte sich die Absterberate bei der Fichte, insbesondere der Prozentsatz frisch abgestorbener Bäume (Schadstufe 4).
Auch wurden deutlich mehr Bäume genutzt. Dies deutet auf einen gestiegenen Anteil »Zufälliger Ergebnisse« (ZE) hin. Bei der Kiefer lag die Absterberate in der Regel geringfügig niedriger. Der Anteil abgestorbener Buchen blieb stets unter dem der Fichte. Bei Eiche und Tanne waren die Absterberaten noch niedriger.
Beobachtungen an Waldklimastationen
Aktuelle Erkenntnisse zu möglichen Risiken und physiologischen Reaktionen der Bäume auf Trockenheit sind in diesem Heft schon theoretisch dargestellt (Mette & Falk 2020). In diesem Artikel gehen wir der Frage nach, welche Trockenheitsreaktionen sich bisher in den Extremjahren an den Bäumen der Forschungsbestände der Waldklimastationen tatsächlich beobachten lassen.
Strahlungs- und Hitzeschäden an Blattorganen
Die Oberflächen von Blättern und Nadeln sind gegen äußere Witterungseinflüsse oder Sonnenstrahlung in der Regel gut geschützt. Nadeln sind zusätzlich mit ausgepägten Wachsauflagen bedeckt. Bei extrem hohen Sommertemperaturen über 40 °C, starken Frösten oder sehr hoher Strahlungsintensität steigt jedoch das Risiko für eine direkte Schädigung der Blattorgane, insbesondere der Epidermiszellen (Abbildung 5).
In den Extremsommern mit immer wieder auftretenden Hitzewellen bis über 40 °C waren im Zuge der Erfassung von Ozonschadsymptomen Strahlungsschäden an lichtexponierten Laubblättern, vor allem bei Jungpflanzen oder der Waldrandbestockung, häufiger zu beobachten. Vergleichbare Schäden traten in den Altbeständen oder an Nadelbäumen selten auf.
Vorzeitiger Laubfall
Frühzeitiger Blattfall ist eine bewährte Strategie der Laubbäume und als vitale Baumreaktion zu werten, solange die Knospen für den Wiederaustrieb bereits angelegt sind und eine ausreichende Blattmasse im nächsten Jahr garantieren. Hält der Stress über mehrere Jahre an, können sich aus Vitalitätsstörungen nachhaltige Schädigungen entwickeln.
In den Trockenjahren 2003, 2015 und 2018 wurde auf den Waldklimastationen Bad Brückenau, Ebrach und Mitterfels jeweils in den Monaten Juni und August zum Teil deutlich mehr Buchenlaub abgeworfen als in Normaljahren (Abbildung 6). Besonders ausgeprägt war dieser Effekt an der WKS Ebrach im Steigerwald zu erkennen. An Standorten mit hoher Wasserspeicherfähigkeit des Bodens und geringerem Wasserdefizit wie an der WKS Freising im Tertiärhügelland stellten wir in allen drei Trockensommern keinen erhöhten sommerlichen Streufall fest.
Trockenschäden an Blattorganen
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Abb. 7: Nekrotische und vertrocknete Blattränder bei Wassermangel (Foto: H.-P. Dietrich)
Auf den WKS-Standorten in Franken (Würzburg, Ebrach), im Jura (Riedenburg) und in den Berglagen Ostbayerns (Flossenbürg und Mitterfels) waren in den trockenen Hitzesommern verbraunte Blätter, meist mit nekrotischen Blatträndern, ein verbreitet beobachtetes Schadsymptom (Abbildung 7).
Buchen, Hainbuchen, Ahorn, Linden waren ebenso häufig, Eichen nur selten betroffen. Zum Ende der Vegetationsperiode waren die Kronen von Altbuchen der Waldklimastationen, bevorzugt auf den warm-trockenen Standorten, stärker verlichtet, der Blattfall trat verfrüht ein (Abbildung 8).
Die unter- und zwischenständige Laubbaumschicht und -verjüngung in den Rein- und Mischbeständen reagierte flächendeckend auch an frischeren Standorten. Für die unter Konkurrenzdruck der herrschenden Bäume stehenden niederen sozialen Baumklassen war der fortschreitende Wassermangel offensichtlich belastender (Pisek & Tranquillini 1951; Bachmann 1988). An Nadeln von Fichten, Kiefern, Tannen und Douglasien waren bei den jährlichen Nadel-/Blattprobennahmen an den Referenzflächen keine vergleichbaren Schadsymptome zu erkennen.
Einfluß auf Biomasseneubildung von Blättern und Früchten
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Abb. 8: Verlichtete Baumkronen mit teilweise absterbender Oberkrone (Foto: H.-P. Dietrich)
Wieviel Blattmasse oder Früchte in einzelnen Jahren gebildet werden, lässt sich an den Waldklimastationen in Laubbeständen unmittelbar aus der Erfassung der Streumenge ablesen. Der Einfluß von Extremjahren auf die gesamte Biomasseneubildung der Baumschicht in einem Bestand ist auch daran zu erkennen.
In den Jahren mit starkem Trockenstress (2003 und 2018) waren an den Laubbeständen der Waldklimastationen keine stärkeren Einbußen in der Blattbiomasse zu beobachten. Erst im Folgejahr des Jahrhundertsommers 2003 bildete der Buchenbestand an der WKS Ebrach beispielsweise deutlich weniger Blattbiomasse aus (Abbildung 10).
Für die Fotosynthese im »Kraftwerk Blatt« stand 2004 nur noch halb so viel Masse wie im Vorjahr zur Verfügung (minus 1,2 Tonnen je Hektar). Dieser Befund steht in Einklang mit den Beobachtungen der Waldzustandsansprache, die größere Blattverluste erst im Folgejahr diagnostiziert hatte. Die fehlende Reaktion im Extremjahr selbst ist durchaus baumphysiologisch zu begründen, weil der Blatt- und Zweigaustrieb in einem Jahr jeweils stark von den Vorjahresbedingungen bei der Knospenanlage und -ausbildung abhängt.
Dennoch waren die Buchen in Ebrach zeitgleich in der Lage, eine in beiden Jahren annähernd gleiche Menge Früchte (2 t/ha) zu produzieren (Abbildung 10). Sie mussten auch bei starkem Wassermangel nicht auf den »Luxus« der generativen Vermehrung verzichten. Nährstoffe und Ressourcen wurden vielmehr zugunsten von Blüten und Früchten umgelagert. In den zurückliegenden Extremjahren erwiesen sich die Buchen tatsächlich auch an anderen Waldklimastationen bisher als erstaunlich robust in der Reproduktion.
Die verminderte fotosynthetisch wirksame Blattmasse beeinträchtigte 2004 wie erwartet auch die Leistungsfähigkeit und das Wachstum der Bäume.
Vermindertes Dickenwachstum bei Wassermangel
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Abb. 9: Kumulative Durchmesserentwicklung für Fichte (n=15) und Buche (n=8) 2019 sowie im langjährigen Mittel sowie Anteil pflanzenverfügbares Wasser an der WKS Riedenburg 2019 (Grafik: LWF)
Wenn der Wasservorrat an einem Standort in den Bereich des Trockenstress absinkt, stockt die Durchmesserentwicklung. An der WKS Riedenburg (Abbildung 9) reagierten Fichten und Buchen im Trockenjahr 2019 sehr unterschiedlich auf den pflanzenverfügbaren Wasservorrat im Boden. Ab Anfang Juli sank der pflanzenverfügbare Bodenwasservorrat unter die Grenze von 40 % der nutzbaren Feldkapazität (nFK) und nach einer Woche dann sogar unter 30 % nFK.
Damit ist die Wasserversorgung der Bäume eingeschränkt bis mangelhaft. Ab diesem Zeitpunkt kam die wöchentliche Durchmesserentwicklung vor allem der Fichten ins Stocken und blieb deutlich hinter dem langjährigen Mittel zurück. Am Ende des Jahres war das Dickenwachstum der Fichten auf der Waldklimastation um 22 % geringer als in Normaljahren.
Die Buchen reagierten dagegen nicht ganz so stark, das Dickenwachstum war am Ende des Jahres nur um knapp 10 % zurückgegangen. Jahrringanalysen früherer Extremsommer (Dietrich et al. 2015) und Analysen aus Umfangmessungen in den Jahren 2003 und 2015 (Stiegler et al. 2018) wiesen insbesondere für die Fichten auf den warm-trockeneren WKS-Standorten ausgeprägte Zuwachseinbußen von bis zu 60 % im Vergleich zu Vorjahren nach.
Buchen und Eichen dagegen reagierten nur in geringerem Ausmaß. Darüberhinaus führte der Anstieg der Sommertemperaturen seit Anfang der 1990er Jahre zu Anomalien im Zuwachsgang von Fichten aller WKS-Standorte und bei Buchen auf warm-trockenen Standorten (Dietrich et al. 2018). Diese Beobachtung läßt sich als Indiz für erhöhten Stress nach wiederholter Trockenheit und Witterungsextremen interpretieren.
Erhöhte Mortalität
Bereits im Jahrhundertsommer 2003 und verstärkt in den Trockenjahren ab 2015 wuchsen regional die Populationen von Schadinsekten an, insbesondere Borkenkäfer an Fichten in Nord- und Ostbayern sowie blattfressender Insekten, bevorzugt an Eichen. Erstmals 2015 wurde von absterbenden Kiefern im nördlichen Nürnberger Reichswald berichtet. Die Schäden schritten 2018 und 2019 fort, meist begleitet von Pilz- und Käferbefall.
Seit 2018 traten auch in Laubbeständen Frankens umfangreiche Schäden insbesondere an Buchen auf. Verbreitet starben Bäume ab. Bereits im ersten Hitze- und Dürresommer nach der Jahrtausendwende 2003 fielen an drei Fichten-WKS (Goldkronach, Zusmarshausen und Altötting) zahlreiche Bäume auf Grund von Borkenkäferbefall aus (Raspe et al. 2004).
Vermehrter Borkenkäferfraß trat auch im Folgejahr der Trockenheit von 2015 auf. In den Jahren 2003 und 2016 waren jeweils knapp 10 % aller Fichten an den WKS-Standorten abgestorben. 2004 war ebenfalls ein geringfügig erhöhter einzelbaumweiser Ausfall in den damals noch erfassten vier Kiefern-WKS festzustellen. Eichen wie Buchen hatten Witterungsextreme und Blattfraß an den fünf (Eichen-) bzw. acht (Buchen-) WKS-Standorten weitgehend unbeschadet überstanden. Erstmals 2019 sind allerdings Buchen in auffälligem Umfang (4 % von 614 Beobachtungsbäumen an acht Waldklimastationen) abgestorben.
Wirkungen an der WKS Ebrach
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Abb. 10: Die Buchen an der WKS Ebrach reagierten auf die starke Einschränkung der Wasserversorgung im Jahr 2003 mit einem verfrühten Laubfall und einer deutlichen Vitalitätseinschränkung im Folgejahr. (Grafik: LWF)
Betrachten wir am Schluss die verschiedenen Indikatoren für den Trockenstress und die Reaktionen der Bäume am Beispiel der WKS Ebrach im Steigerwald in einem Trockenjahr (2003) und seinem Folgejahr (2004) (Abbildung 10). Die Anzahl der Tage mit einem Bodenwasservorrat unter 40 % nFK war dort im Jahr 2003 fast fünfmal so hoch wie im langjährigen Mittel von 1961 bis 1990.
Dementsprechend war die Transpiration der Buchen um fast 70 l/m² geringer als bei ausreichender Wasserversorgung. Das Folgejahr war dagegen von der Wasserversorgung her gesehen wieder relativ normal. Als unmittelbare Reaktion auf diese physiologische Dürre reagierten die Buchen mit einem teilweisen Abwurf ihres Laubes noch während der Vegetationsperiode, gut zu sehen an dem deutlichen Anstieg des sommerlichen Blattfalls. In dem Trockenjahr fiel etwa 60 % mehr Blattmasse während der Sommermonate als in Normaljahren ab.
Die Blattstreumenge erreicht im gesamten Streufalljahr 2003 ziemlich exakt das langjährige Mittel der Vorjahre von 1997 bis 2002. Dies weist auf eine relativ normale Belaubung vor Beginn der Trockenheit hin. Im Folgejahr wurde dagegen nur noch halb so viel Buchenlaub abgeworfen, also deutlich weniger Laubmasse gebildet als üblich.
Auch der Indikator des Kronenzustands weist auf eine deutliche Vitalitätseinschränkung der Buchen erst im Folgejahr hin. Im Trockenjahr 2003 bewegte sich der Anteil stärker Kronenverlichtung in ähnlicher Größenordnung wie in den Jahren zuvor (Anteil Schadstufen 2–4: 18–20 %). Im Folgejahr stieg er auf das Dreifache (60 %) an. Der Kronenzustand der Buchen wurde als deutlich geschwächt eingewertet.
Auch das Wachstum brach im Jahr nach der Trockenheit ein. Das Dickenwachstum der Bäume war um 36 % geringer als im langjährigen Mittel von 1997 bis 2018. Allem Anschein nach kompensierten die Buchen auf der WKS Ebrach die Trockenheit im Jahr 2003 zunächst relativ gut, indem sie sich ihrer transpirierenden Blattmasse frühzeitig entledigten. Dieses Phänomen konnte zum Zeitpunkt der Waldzustandserhebung noch nicht erfasst werden. Der Kronenzustand verschlechterte sich im Folgejahr deutlich, Blattbiomasseentwicklung und Dickenzuwachs blieben hinter dem langjährigen Mittel zurück.
Zusammenfassung
Seit 2003 treten Dürrereignisse häufiger auf als früher. Deshalb hat sich dieser Begriff wieder fest in unserem Wortschatz und Bewußtsein verankert. In der Forstwirtschaft entscheidet allein die Menge des pflanzenverfügbaren Wassers, wie gut die Bäume mit Trockenperioden zurecht kommen. Die »Klimatische Wasserbilanz« der forstlichen Vegetationsperiode verdeutlicht, dass 2018 noch extremer war als 2003 mit seinem »Jahrhundertsommer«.
Regional zeigt auch die Anzahl der Trockentage sowohl langjährig als auch in allen Extremjahren an den Waldklimastationen die schon vorher warm-trockenen, tiefer gelegenen Gebiete Unter- und Mittelfrankens als Brennpunkt der Klimaerwärmung. In den dortigen Mittelgebirgen waren auch einzelne weitere Jahre extrem trocken.
Weiter im Süden schlägt die Trockenheit in einzelnen Extremjahren ebenfalls zu. In den Alpen sowie in den Hochlagen des Bayerischen Waldes war bisher keine Trockenheit zu bemerken. Die Wirkungen der Trockensommer sind im Wald angekommen. Neben den direkten Hitze- und Strahlungsschäden rufen vor allem die unmittelbaren und mittelbaren Folgen des Wassermangels sicht- und messbare Veränderungen und Schädigungen in den Wäldern hervor.
Blattschäden und vertrocknete Baumkronen, Vitalitätsstörungen und Zuwachsminderungen bis hin zum Absterben von Bäumen, häufig von Insektenkalamitäten sowie Pilzbefall begleitet, werden an den Messorten des Umweltmonitoring erfasst und dokumentiert. In einzelnen Trockenjahren und ihrem jeweiligen Folgejahr treten die Zusammenhänge an besonders betroffenen Waldklimastationen wie Ebrach in vielen Wirkungsgrößen deutlich in Erscheinung.
Das Monitoring verdeutlicht den raschen Wandel der aktuellen Umwelt- und Standortbedingungen und liefert einen Beitrag zur Frage der Baumarteneignung und der Anpassungsfähigkeit der Wälder an den Klimawandel.
Literatur
- Bachmann, M. (1988): Zuwachsreaktionen geschädigter Fichten, erfasst nach der Methode von Schweingruber. Diplomarbeit MWWDA 63, LMU München, 66 S.
- Dietrich, H.-P.; Nikolova, P.; Beck, W.; Grams, T.; Seifert, T.; Seifert,S. (2015): Abschlussbericht zum Forschungsprojekt M28: Vergleichende ökophysiologische und dendroklimatologische Bewertung der Auswirkungen von Wassermangel und Trockenheit auf verschiedene Baumarten an bayerischen Waldklimastationen; unveröffentlicht
- Dietrich, H.-P.; Raspe, S.; Zimmermann, L.; Wauer, A.; Köhler, D.; Schubert, A.; Stiegler, J.; Blum, U.; Kudernatsch, T.; Klemmt, H.- J. (2018): Umwelt und Standortsbedingungen in raschem Wandel. LWF aktuell 2, S. 6–11
- Lyr, H.;Fiedler, H-J.; Tranquillini, W. (1992): Physiologie und Ökologie der Gehölze. 619 S.
- Mette, T.;Falk, W. (2020): Extreme Trockenheit – wie sie auf Vitalität und Anbaurisiko von Waldbäumen wirkt. LWF aktuell 3, S. 30–34
- Pisek, A.; Tranquillini, W. (1951): Transpiration und Wasserhaushalt der Fichte (Picea excelsa) bei zunehmender Luft- und Bodentrockenheit. Physiol. Plant 4, S. 1–27
- Raspe, S.; Foullois, N.; Neumann, J.;Zimmermann, L. (2020): Wasserversorgung für Wald und Mensch. LWF aktuell 3, S. 9–13
- Raspe, S.; Schulz, C.; Kroll, F. (2004): Wenn schon im Sommer tonnenweise Blätter fallen. Baumentwicklung und Streufall. LWF aktuell 43, S. 11–13
- Stiegler, J.; Wörle, A.; Spiegel, V.; Zimmermann, L.; Wauer, A.; Raspe, S.; Dietrich, H.-P. (2019): Mehr Leid als Freud! Baumarten auf den Waldklimastationen reagieren unterschiedlich auf die Wetterextreme der vergangenen Jahre. LWF aktuell 4, S. 59–64
- Triebenbacher, C.;Lobinger, G. (2019): 2019: Borkenkäferdichte auf sehr hohem Niveau. LWF aktuell 124, S. 42–45
- Wauer, A.; Klemmt, H.-J. (2020): Klimawandel aus Nord(west)en! Ergebnisse der WZE 2019 in Bayern zeigen Nord-Südgefälle der Schäden. LWF aktuell 2, S. 26–29
- Weis, W.; Wellpott, A.; Falk, W. (2020): Standortfaktor Wasserhaushalt im Wald. LWF aktuell 3, S. 14–17
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