Header Boden und Klima

RSS-Feed der Bay. Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft abonnieren

So verpassen Sie keine Neuigkeiten mehr. Unser RSS-Feed "Nachrichten der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft" informiert Sie kostenlos über unsere aktuellen Beiträge.

Aufruf des RSS-Feeds

Richard Heitz, Marvin Lüpke, Felix Brundke und Christoph Hübner
Die Edel- oder Esskastanie – LWF aktuell 117

Die Edelkastanie ist seit der letzten Eiszeit im ganzen Mittelmeerraum verbreitet. Die meisten Menschen kennen vor allem ihre schmackhaften und nahrhaften Früchte, die Maroni. Ein weiteres besonderes Merkmal ist ihr sehr dauerhaftes und optisch ansprechendes Holz. Einst von den Römern in Europa verbreitet, wird heute waldbaulich ein hohes Potenzial im Klimawandel vermutet und untersucht.

Die Edel- oder auch Esskastanie (Castanea sativa) ist in Deutschland eine durchaus seltene Baumart. Lediglich in den wärmebetonten Regionen kann man ihr etwas öfters begegnen.

Vorkommen und Anbaugebiete

Bauernhof mit Damwildgehege. Im Vordergrund mit bildfüllender, ausladender Edelkastanie im Laub.Zoombild vorhanden

Abb. 1: Beeindruckende Edelkastanie. (Foto: V. A. Bouffier)

Natürliche Vorkommen der Edelkastanie gibt es im gesamten Mittelmeerraum, begrenzt durch die Gebirgsketten Atlas, Pyrenäen, Alpen, Rhodopen und Kaukasus. Die Römer, die auf die Früchte der Edelkastanie – die Maroni – nicht verzichten wollten, haben sie in Europa weiter verbreitet. Großflächig angebaut wird sie vor allem in Frankreich und Italien, außerdem ist sie auch in Spanien, England und Irland sowie auf der Balkanhalbinsel verbreitet.

Im Alpenraum wächst die Edelkastanie in der Schweiz und in Südtirol. In Deutschland kommt sie punktuell in wärmebegünstigten Lagen wie der Rheinebene, an Nahe, Saar und Mosel, im westlichen Schwarzwald, im Odenwald und Taunus sowie am Main vor.

Dem bayerischen Klima gewachsen

Klimahülle der Edelkastanie. An den Achsen des Diagramms Jahrestemperatur und -niederschlagssumme. Verbreitungsgebiet in Europa bei 500mm und 6°C bis 1900mm und 16°C. Zudem gegenwärtiges und zukünftiges Klima. Klimaprofil der Edelkastanie wird zu zukünftigem Klima besser als zu derzeitgem passen.Zoombild vorhanden

Abb. 2: Klimahülle der Edelkastanie. (Grafik: LWF)

Aus der Klimahülle der Edelkastanie kann man gut ablesen, dass diese Baumart mit Blick auf den Klimawandel durchaus in Bayern eine Zukunft haben kann (Abbildung 2). Auf der X-Achse ist der durchschnittliche Jahresniederschlag in mm, auf der Y-Achse die Jahresdurchschnittstemperatur in °C zu finden. Das zukünftige trockenere und wärmere Klima Bayerns ist rot markiert.

Der für die Edelkastanienverbreitung kennzeichnende Klimabereich, welcher als ockerfarbene Fläche eingezeichnet ist, deckt sich komplett mit dem künftigen Klima in Bayern. Der gegenwärtige Klimabereich Bayerns ist blau umrandet und deckt sich in großen Teilen mit der Klimahülle der Edelkastanie.

Bestandesbegründung

Die meisten Bestände werden durch Pflanzung im Weitverband (z.B. 2 x 3 m, 3 x 3 m) begründet. Auch die Saat kann erfolgreich praktiziert werden, wobei hier allerdings eine Zäunung gegen Schwarzwild notwendig ist. Zudem ist die Verjüngung über Stockausschläge möglich und weit verbreitet. Daneben tragen auch Tiere wie Eichelhäher und Nager zur Verbreitung bei.

Mischungsformen

Die besten Wuchsleistungen werden im Reinbestand erzielt. Aufgrund der frühen Zuwachskulmination und der Lichtbedürftigkeit ist die Mischung mit anderen Baumarten waldbaulich anspruchsvoll.

Pflege und Nutzung

Stamm einer Edelkastanie mit deutlich längsgefurchter, grauer Rinde.Zoombild vorhanden

Abb. 3: Stamm. (Foto: R. Heitz)

Um die Risiken von Rindenkrebs, Ringschäle, Gallwespe und Tintenkrankheit gering zu halten, ist es bei der Wertholzproduktion notwendig, den Zieldurchmesser von 50 bis 60 cm in einer möglichst kurzen Umtriebszeit zu erreichen. Dies ist nur mit großkronigen Bäumen möglich.

Aufgrund der frühen Zuwachskulmination und Astreinigung muss der Kronenausbau in jungen Jahren erfolgen. Spätere Eingriffe bieten nur noch geringe Steuerungsmöglichkeiten. Daher ist die Auswahl von 60 bis 80 Z-Bäumen pro Hektar frühzeitig notwendig. Bei niedrigeren Zieldurchmessern sind auch mehr Z-Bäume möglich.

Die Z-Bäume müssen konsequent freigestellt werden. Jungbestände sind bereits wenige Jahre nach dem Eingriff wieder komplett geschlossen. Daher sind Folgeeingriffe in kurzen Abständen sinnvoll und notwendig. Der Ringschäle kann mit regelmäßigen Eingriffen vorgebeugt werden, sodass ein gleichmäßiger Holzaufbau ohne Jahrringsprünge entsteht.

Wachstum

Blüte der Edelkastanie. Steht in kätzchenartigen, gelben Blütenständen ab.Zoombild vorhanden

Abb. 4: Blüten. (Foto: vonWolkenegg, fotolia)

Der Zuwachs der Edelkastanie ist besonders in der Jugendphase hoch. In den ersten 20 Jahren kann durchaus mit einem jährlichen Volumenzuwachs von 10 bis 14 m³/ha kalkuliert werden. Unter optimalen Standortsbedingungen erreichen Stockausschläge jährliche Massenzuwächse von bis zu 22 m³/ha. Ein 120-jähriger Altbestand mit einem Vorrat von etwa 520 m³/ha kann immer noch jährliche Volumenzuwächse von 10 m³/ha leisten.

Unter günstigen Standortsbedingungen und mit geeigneter Behandlung können bis zum Alter von 60 Jahren Bäume mit einem BHD von 60 cm erreicht werden. Durch entsprechende Pflegeeingriffe ist die Erzielung von starkem Wertholz möglich.

Holzeigenschaften

Fruchtbecher und Früchte (Maroni) liegen auf Blättern der Edelkastanie.Zoombild vorhanden

Abb. 5: Maroni. (Foto: photocrew, fotolia)

Das ringporige Holz hat eine geflammte Zeichnung. Der helle Splint hebt sich gut vom dunklen Kernholz ab. Durch die starke Verthyllung im Kern ist das Holz der Edelkastanie sehr dauerhaft. Sie zählt zu den dauerhaftesten Holzarten Europas. Die Einstufung in die Dauerhaftigkeitsklassen 1–2 (sehr dauerhaft – dauerhaft) nach DIN EN 350-2 ermöglicht den Einsatz ohne Schutzmittel auch im Außenbereich.

Verwendungsbereiche in der Holzindustrie sind chemisch: Faser- und Brennholz sowie mechanisch: Rebpfähle, Hobelware, Möbelbau, Lawinenverbauung und vieles mehr. Vor allem der Einsatz im Außenbereich ist etabliert. Rebpfähle im Weinbau haben eine lange Tradition. Neben der Holzverwendung werden in vielen Regionen Europas Edelkastanien zur Fruchtproduktion angebaut. Die Maronen großfruchtiger Kultursorten werden zu Mehl verarbeitet, dienen in vielfältiger Weise als Beilage zu Speisen, werden geröstet oder roh verzehrt.

Weitere Nebenprodukte sind hochwertiger, dunkler Honig oder Speisepilze, die als Mykorrhiza mit der Edelkastanie vergesellschaftet sind.

Waldschutz

Im Herbst abgeworfener stacheliger Fruchtbecher der Edelkastanie liegt auf dem belaubten Boden.Zoombild vorhanden

Abb. 6: Zwischen September und Oktober wirft die Esskastanie ihre stacheligen Früchte ab. Dabei können durchaus 50 kg Maronen unter einem Baum aufgesammelt werden. (Foto: C. Hübner, LWF)

Unter den abiotische Risiken leidet die Edelkastanie als Baumart der wärmeren Lagen unter Schneebruch und Spätfrost. Unter den biotischen Risiken ist besonders der 1992 nach Deutschland eingeschleppte Schlauchpilz Cryphonectria parasitica zu erwähnen, welcher den Edelkastanienrindenkrebs auslöst. Der Pilz zerstört das Kambium der Edelkastanie und verursacht so das Absterben von Stamm- und Kronenabschnitten bis zum ganzen Baum.

Die europäische Edelkastanie C. sativa gilt zwar als etwas weniger anfällig als die amerikanische Art C. dentata, ist aber dennoch existenziell durch den Krebs gefährdet. Wenn die Bäume den Befall überleben, sind sie durch starke Rindenschäden und Zuwachsverluste kaum mehr forstwirtschaftlich nutzbar. Längere Trocken- und Hitzeperioden erhöhen die Zahl der Infektionen. Es gibt eine hypovirulente Form des Rindenkrebses, welche deutlich weniger aggressiv ist und den Baum weniger schwächt. Die von der hypovirulenten Form befallenen Bäume können nicht mehr von der aggressiven Form befallen werden. Daher wird die Beimpfung von noch gesunden Bäumen mit dem hypovirulenten Krebs derzeit erprobt, um die Ausbreitung des aggressiven Krebses zu hemmen.

Eine Gefahr stellt auch die eingeschleppte Edelkastaniengallwespe dar. Die weiblichen Gallwespen legen ihre Eier in Knospen. Die überwinternden Larven verursachen beim Frühjahrsaustrieb eine Gallbildung, welche die gesunde Entwicklung der Blüten oder Blätter verhindert. Dadurch entstehen Verluste im Holzzuwachs sowie bei der Fruchtproduktion. Die Ausbohrlöcher der Wespe aus den Gallen stellen mögliche Eintrittspforten für Sporen des Rindenkrebses dar und können so den Befall und die Ausbreitung des Pilzes beschleunigen. Besonders auf staunassen oder grundwasserbeeinflussten Standorten sind Kastanien für Phythophtora-Pilze anfällig, welche die Tintenkrankheit auslösen und im Extremfall auch zum Absterben führen können.

Lebensraum Edelkastanie

Ihre Auswirkungen auf das Ökosystem können als positiv bewertet werden. Sie bietet vielen Tieren Nahrung. Von der langen und intensiven Blüte profitieren viele Insekten und die Früchte ergänzen die Nahrung zahlreicher Säugetiere. In der rauen Borke verstecken sich Insekten. In hohem Alter neigt sie verstärkt zur Höhlenbildung und bietet somit wertvolle Habitate für Höhlenbewohner (Eremit bis Wildkatze). Obwohl die Edelkastanie in Mitteleuropa ursprünglich nicht heimisch ist, integriert sie sich gut in das Ökosystem.

Kurzportrait Edelkastanie

Klasse: Rosopsida = Dreifurchenpollen-Zweikeimblättrige
Unterklasse: Rosidae = Rosenähnliche
Ordnung: Fagales = Buchenartige
Familie: Fagaceae = Buchengewächse
Gattung: Castanea = Kastanien
Art: Castanea sativa (MILL.) = Edel- oder Esskastanie

Höchstalter: in Mitteleuropa 500-600 Jahre;
in West- und Südeuropa bis 1.000 Jahre

Gestalt: bis 35 m hoher Baum mit eichenähnlichem Habitus; Stammumfang bis 2 m; gerader Schaft; Krone weit ausladend und rundlich; Kronenansatz oft sehr tief

Triebe: kantig; oliv- bis rotbraun; mit weißen, punktförmigen Lentizellen

Knospen: stumpf eiförmig; stehen einzeln an den Triebspitzen oder als Seitenknospen in spiraliger Anordnung; 8-10 mm lang; leicht gestaucht; mit 2–3 matt braunen bis gelbgrünen Schuppen

Blätter: zweizeilig (seltener spiralig) angeordnet; lanzettlich und derb; Rand stachelspitzig gezähnt; 12–20 cm lang und 3–6 cm breit; etwas ledrig; Oberseite glänzend tiefgrün und kahl; Unterseite heller mit 12–20 Aderpaaren; Herbstfärbung gelbbraun bis braun

Rinde: olivbraun und glatt; im Alter graubraune, dicke und längsgefurchte Borke

Blüten: Blüte im Juni, nach dem Austreiben der Blätter; einhäusig; Blüten stehen in 20–25 cm langen, gelben, kätzchenähnlichen Blütenständen; wind- und insektenbestäubt

Früchte: glänzende mittel- bis dunkelbraune Nüsse; Fruchtbecher mit Durchmesser von 5–6 cm, bei Kulturformen bis 10 cm; ein bis drei Früchte je Fruchtbecher; hoher Gehalt an den Kohlenhydraten Stärke und Saccharose; Verbreitung v.a. durch Eichhörnchen und Vögel

Bewurzelung: anfangs nicht sehr tief durchdringende Pfahlwurzel; später wenige, aber intensiv verzweigte Seitenwurzeln (Übergang zu Herzwurzelsystem)

Beitrag zum Ausdrucken

Weiterführende Informationen

Autoren